Wakolda (German Edition)
dem Hundegebell und den Donnerschlägen ein ohrenbetäubendes Konzert ergab. Für die zwei Wagen war nicht genügend Platz, José blieb nichts anderes übrig, als sein Auto so hinzustellen, dass es halb unter dem Dach hervorragte. Niemand konnte sich entschließen, auszusteigen, bei laufenden Motoren und eingeschaltetem Licht saßen sie minutenlang da und rührten sich nicht. Von seinem Wagen aus sah José, wie Lilith sich die Ohren zuhielt; die Dogge neben ihr und zwei von den Hunden draußen bellten sich unerbittlich an. Die Fensterscheibe, die sie voneinander trennte, schien sie noch mehr in Rage zu bringen; bei jedem Sprung blieb etwas Blut aus ihren Wunden daran haften.
Plötzlich fiel ein Schuss, die Hunde verstummten, alle schossen in ihren Sitzen hoch. Die Dogge verkroch sich zitternd unter den Vordersitz, die fünf Hunde stoben in alle Richtungen davon. In seinem Chevrolet beugte sich José nach einem kleinen Koffer, der im Fußraum des Beifahrersitzes lag, klappte ihn auf und zog zwischen Büchern und Papieren ein Lederetui hervor. Mit soldatischer Gefasstheit versicherte er sich, dass der Colt geladen war, und hob den Blick.
Erst jetzt sah er den Mann und die beiden Kinder aus dem Gewitter heraustreten. Sie hatten Kopf und Körper mit Blechteilen bedeckt, eine Art improvisierte Rüstung, mit der sie aussahen wie eine Mischung aus Ritter und Bettler. Die Jungen trugen zwei randvoll mit Wasser gefüllte Eimer, der Mann ein Gewehr. Sie stellten die Eimer ab und blieben stehen, der Mann kam allein auf den Schuppen zu gestapft. Seine eben noch hyänenhaft wilden Hunde liefen jetzt bei Fuß, sie wedelten mit dem Schwanz, wagten es nicht mehr zu bellen. Ein Schäferhund, dem ein Faden Blut über die Stirn rann, ging schützend vorneweg. Der Mann umrundete den Citroën; als er Lilith und ihre Geschwister sah, die ihn aus weit aufgerissenen Augen anstarrten, nahm er das Gewehr herunter und lehnte es gegen die Schuppenwand. Seinen Söhnen machte er ein Zeichen, sie sollten zum Haus weiterlaufen, das unter dem Ansturm des Unwetters erbebte. Die beiden gehorchten aufs Wort, und der Mann nahm die verbeulte Blechscheibe vom Kopf. Seine Haut war faltig, von der Sonne gegerbt, seine Augen funkelten jedoch wie die eines jungen Mannes. Enzo wischte sich die Hände an der Hose ab und stieg aus dem Citroën.
»Da hat Sie aber der Hagel ganz schön erwischt«, hieß sie der Mann willkommen.
Seine Stimme klang rau und dumpf.
»Verzeihen Sie, dass wir einfach so auf Ihr Grundstück gefahren sind. Sobald das Unwetter vorbei ist, sind wir weg, wir brauchen einfach einen Platz zum Unterstellen …«
»Und wir Wasser.«
»Ich verstehe.«
»Das glaube ich kaum. Wer beim Wasser wohnt, versteht die Wüste nicht. Seit Monaten leiden wir hier unter der Dürre.«
Der Mann blickte jetzt in den anderen Wagen zu José, der ihm direkt ins Gesicht sah und ihn genau musterte (vor einem Einheimischen den Blick senken, das konnte er nicht).
»Er gehört zu uns«, erklärte Enzo und streckte dem Mann die Hand hin.
»Meine Hände sind dreckig, da hilft nicht mal Wasser.«
Das sollte kein Scherz sein, doch Enzo lachte auf. Mit ausgestrecktem Arm stand er da und duckte sich unter einem zischenden Seil hinweg, das der Mann mit einer Hand einholte und um einen Pfosten warf, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
»Viel anbieten kann ich zwar nicht, aber kommen Sie doch rein.«
»Nicht nötig, wir können hier draußen abwarten.«
»Das wird aber vor morgen nicht aufhören.« Der Mann deutete zum Himmel und fuhr fort: »Wir sind beim Wassersammeln, für uns ist das nämlich ein wahrer Segen … Ich sehe, Sie haben Kinder mit dabei.«
»Zwei Jungen und ein Mädchen.«
»Nun kommen Sie schon rein«, drängte er. »Da drinnen brennt wenigstens ein Feuer.«
Vom Auto aus konnte Lilith sehen, wie die Männer die Lippen bewegten, verstand aber kein Wort. Sie verpasste der Dogge einen Tritt, damit sie Ruhe gab. Dann sah sie den Mann auf das Haus zeigen: Unter einem Kunststoffvordach, im Türrahmen des Hauseingangs, stand ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen. Das schwarze Haar reichte ihr bis zu den Hüften, ihre Haut war so dunkel wie die der zwei Jungen. Liliths Blick blieb an dem Siebenmonatsbauch der jungen Frau hängen, der sich unter einem zerschlissenen Hemd wölbte, darunter trug sie eine Männerhose.
Enzo öffnete die Wagentür.
»Kommt, wir warten dort drinnen ab. Beeilt euch, das Gewitter ist gerade etwas abgeflaut.«
Die Sintflut
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