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Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Walburgisöl - Oberbayern-Krimi

Titel: Walburgisöl - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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letzten Jahren hinzugekommen waren. Auf einem Täfelchen war ein Kind abgebildet, das unter einen Traktor geraten, den Unfall aber anscheinend überlebt hatte.
    »Schwein gehabt«, murmelte Morgenstern, doch die Eltern des Kindes sahen das wohl anders. »Danke, Walburga« hatten sie den Maler auf das Bild pinseln lassen, und über dem Traktor schwebte die heilige Nonne mit ihrem kleinen, bauchigen Ölfläschchen.
    Aber wo war dieses Buch mit Hechts geheimen Wünschen? Morgenstern ging über eine schmale steinerne Stiege hinab in den unteren Teil der Kapelle, und dort, auf einer unbequem aussehenden hölzernen Kniebank, lag ein schlichtes Buch im DIN-A 3-Format. Morgenstern fühlte ein sonderbares Kribbeln im Magen, als er sich hinabbeugte: Neugierde vermischt mit dem Gefühl, unbefugt im Tagebuch eines anderen zu lesen.
    Dann hätte er halt nichts reinschreiben dürfen, wischte er seine Skrupel beiseite. Schließlich ist das Buch öffentlich.
    Das Buch war mit einer kurzen Schnur an der Bank befestigt, und Morgenstern war gezwungen, sich in die Bank zu knien, um Hechts Anliegen lesen zu können. Es war das letzte des heutigen Tages, natürlich. Murmelnd las er: »Heilige Walburga! Bitte hilf meiner Mutter mit ihren Schmerzen und mach, dass sie ihre Lebensfreude wiedergewinnt. Erhalte uns alle gesund und hilf mir, dass ich zu A. wieder ein besseres Verhältnis bekomme. Hilf mir und M., dass wir Erfolg in unserer Arbeit haben, und schütze M. und seine Familie. Vielen Dank. P., Schrobenhausen«.
    Morgenstern fühlte sich, als hätte ihm jemand mit einem Hammer vor die Brust geschlagen. Jetzt war es eindeutig, dass er diese Zeilen nicht hätte lesen dürfen. Das hatte ihm noch gefehlt, dass sich Spargel im Himmel für ihn einsetzte. Überhaupt: Verrückt, was die Menschen alles über sich verrieten. Da predigten die Medien unablässig, man solle keine persönlichen Daten preisgeben, im Internet vorsichtig sein und fremden Leuten am besten nicht einmal das Geburtsdatum nennen – und dann schrieben manche ihre intimsten Wünsche und Hoffnungen einfach so in ein Buch –, zum Nachblättern für Jedermann. Was war bloß in Spargel gefahren hier unten in der Gruft? Das konnte nur eine Frömmigkeitsattacke aus heiterem Himmel gewesen sein, denn bisher hatte Morgenstern seinen Kollegen nicht als eifrigen Kirchgänger kennengelernt.
    Allmählich gewann Morgenstern seine Fassung wieder, und die Neugierde erlangte erneut Oberhand. Gespannt blätterte er zurück, um zu lesen, was andere Walburga-Fans zu Papier gebracht hatten. Die meisten, so stellte sich rasch heraus, hatten gesundheitliche Anliegen. Erstaunlich, wie viele Menschen an Krebs erkrankt waren und neben Chemotherapie und Bestrahlung auch noch auf die Hilfe von oben setzten. Oft waren es engste Angehörige, die ihre Not ganz still in der Gruft niederschrieben. Auch junge Leute hatten in dem Buch ihre Spuren hinterlassen. Morgenstern hätte vermutet, dass sich der Nachwuchs in erster Linie mit Unfug im Stil von »Leon und Marvin sind doof!« verewigt hätte, stattdessen las er flehentliche Hilferufe vor Schul- und Uniprüfungen. Immer wieder übernahmen das auch sorgenvolle Mütter oder Großmütter: »Liebe Walburga! Stehe meinem Enkel bei seiner schweren Prüfung bei! Verleihe ihm Gelassenheit und Kraft. Z.W. , Eichstätt.«
    Morgenstern hielt inne und überlegte, ob seine Mutter einst bei seiner Führerscheinprüfung einen ähnlichen Stoßseufzer zum Himmel geschickt hatte. Wenn ja, dann hatte es zumindest im ersten Anlauf nichts geholfen, denn der junge Mike war in der Fahrprüfung vor Aufregung in falscher Richtung in eine Einbahnstraße eingebogen.
    Er blätterte weiter, bis er fast das ganze bisherige Jahr studiert hatte. Manche Menschen waren aus England oder Holland hierher in die Gruft gekommen, viele Touristen hatten sich eingetragen, und etliche Gläubige kamen offenbar regelmäßig mit ihren Anliegen an das Grab der heiligen Walburga.
    »Wegen jedem Schmarrn«, brummte Morgenstern, der allmählich seine gewohnte Distanz wiedergefunden hatte.
    » I.S. aus Pollenfeld« fand alle paar Wochen einen Grund zum Jammern und Wehklagen, und » Z.W. « gehörte ebenfalls zu den Seelen, für die das Leben nur aus Schmerz und Sorgen zu bestehen schien. Alles Leute, so sinnierte Morgenstern, die nicht an ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten glaubten.
    »Gruftis«, murmelte er und grinste breit über sein Wortspiel. Mit einem lauten Knall klappte er das Buch zu und

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