Wald der Masken
alle von den klebrigen Maschen befreit waren. Als sie alle vier einigermaßen beweglich auf der Leiste standen, kam Mythor erst richtig zum Bewußtsein, was sie da vollbracht hatten. Eben noch dem sicheren Tod geweiht, besaßen sie nun alle Möglichkeiten, sich an die Oberfläche vorzukämpfen.
»Es wird noch einmal hart werden«, sagte er. »Ein falscher Schritt, und wir landen dort, wo der Marmorne zerschmettert liegt.«
»Er ist weder zerschmettert noch tot«, beharrte Cobor stur.
Mythor ließ ihn reden. Noch waren kleinere Netzreste an seinem Körper, und wenn er nicht aufpaßte, klebten auch seine Arme am Leib fest. Er ging voran in die Richtung, von der er glaubte, daß sie zum Gebirge führen mußte.
Ilfa folgte ihm nach, dahinter Cobor. Roar bildete den Abschluß. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, mit dem Vorderkörper fest gegen die Wand gedrückt und jede Ritze ausnutzend, die seinen Fingern Halt gab.
Als er zu erkennen glaubte, daß sich die Spalte verengte und die Leiste leicht nach oben hin anstieg, hörte er tief unter sich Steine brechen.
Die Gefährten hielten den Atem an.
Am Boden der Spalte bewegte sich etwas. Steine splitterten und fielen in kleinen Lawinen herab. Dann waren knirschende Schritte zu hören.
»Ich sagte es euch«, kam es von Cobor. »Er lebt, und er wird uns verfolgen bis ans Ende dieser Welt.«
*
Mit der Zeit scheuerten sich die klebrigen Netzreste an den Felsen ab. Die Gefährten kamen schneller voran. Die Leiste führte immer steiler in die Höhe, doch auch die Spalte schien sich bereits einen Berghang hinaufzuziehen. Da es über ihm absolut dunkel war, konnte Mythor nicht feststellen, wie hoch ihr Rand noch über ihm lag.
Die knirschenden Schritte aus der Tiefe kamen näher. Endlich war die Spalte so eng, daß die Leiste mit der gegenüberliegenden Seite verwuchs und wenigstens die Gefahr eines Absturzes nicht mehr bestand.
Roar knurrte, stieß Mythor an und deutete nach oben.
»Du riechst die Pflanzen von der Oberfläche?« erriet Mythor. »Weiter. Dann müssen wir es einfach bald geschafft haben.«
Und dann? Obgleich er sich dagegen sträubte, hörte er immer wieder Cobors finstere Prophezeiung. Wenn der Marmorne den Sturz überlebt hatte, was sollte ihn dann jemals aufhalten können?
Mythor lief voran. Er roch etwas anderes als Pflanzen. Plötzlich mußte er husten.
»Schwefeldämpfe!« sagte Ilfa. »Das fehlte uns jetzt noch. Seht, dort vorne sind winzige Ritzen im Fels, aus denen die Giftwolken steigen!«
Im Schimmer der Flechten waren sie als grüngelbe Fahnen zu sehen, die sich über dem Boden verteilten und an den Wänden hinauftrieben.
»Wir müssen hindurch.« Mythor fuhr herum, als wieder Steine polterten. »Der Marmorne klettert uns nach. Er wird gleich hinter uns sein. Haltet die Luft an, kneift die Augen zu und lauft hinter mir her. Richtet euch nach dem Gehör und meinen Schritten.«
Er nahm Ilfas Hand und lief als erster. Er stolperte, prallte gegen die Wände und spürte trotz der fest geschlossenen Augen, wie ihm die Tränen kamen. Erst als er glaubte, daß ihm die Lungen zerplatzen müßten, blieb er stehen und rang nach Luft.
Ilfa klammerte sich an ihn. Roar und Cobor hatten die gefährliche Zone ebenfalls hinter sich gebracht. Die gelben Dämpfe waren wie ein Vorhang, hinter dem aber schon der schwere Leib des Verfolgers zu sehen war. Der Marmorne zwängte sich durch die enge Spalte. Wo er nicht weiterkam, schlug er einfach Gestein aus den Wänden und schuf sich so seinen Weg.
Mythor drehte sich um. Vor ihm, nur wenige Schritte entfernt, war die Spalte zu Ende. Der Fels war hier unregelmäßiger. Er ging nach oben hin auseinander, und seine Vorsprünge waren wie natürlich entstandene Treppenstufen.
»Klettert hinauf«, sagte Mythor. »Beeilt euch. Ich versuche, den Burschen zu beschäftigen.«
»Ich kämpfe!« rief Cobor leidenschaftlich. »Geh du mit ihnen!«
»Niemand geht, wenn Mythor zurückbleibt«, sagte Ilfa. »Ich…«
Mythor gab Roar ein Zeichen. Der Kruuk machte zuerst heftige Gesten der Abwehr. Erst als Mythor einen Stein hob und so tat, als wollte er auf ihn werfen, packte er sich das Mädchen und begann mit ihr unter dem Arm den Aufstieg. Ilfa nützte alles Schreien nichts.
Mythor wog den Stein in der rechten Hand. Seine linke umklammerte den Griff von Ilfas Schwert.
Langsam schob der Marmorne sich heran. Seine Handkanten schlugen ganze Scheiben von solidem Gestein ab. Und nun, als er die verhaßten
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