Wald-Schrat
lesbar. Forrest las eifrig: UM DIE LOKOMOTIVE AUF DER STELLE ANZUHALTEN, IST DAS ZUGSEIL ÜBER DEM SITZ ZU BETÄTIGEN.
Forrest blickte nach oben. Dort war tatsächlich eine Schnur, die er vorher nicht bemerkt hatte. Er hob den Arm und zog.
Kreischend begann die Lokomotive abzubremsen. Die Sitzgurte sprangen hervor und umschlangen die beiden ebenso wie die Puppen. Ach je – diese Einzelheit hatte er vergessen.
»Du hast es geschafft!«, rief Dot weinend. »Du hast den Zug angehalten!«
»Zeig mir bitte noch einmal das Inhaltsverzeichnis.«
Dot blätterte zurück, und Forrest fand ein Kapitel, das sich mit SICHERHEITSGURTEN beschäftigte. Er ließ sie zu der betreffenden Seite vorblättern. Dort stand: ZUM LÖSEN DER SICHERHEITSGURTE DRÜCKEN SIE DEN KNOPF IN DER GURTMITTE.
Tatsächlich, da war ein Knopf. Forrest drückte darauf, und der Gurt gab ihn frei und verschwand zu beiden Seiten im Sitz. Dot tat es ihm gleich. »Du hast es herausbekommen«, sagte sie zufrieden.
»Lass uns verschwinden, bevor der verrückte Zug wieder losfährt«, sagte er und stand auf.
Doch sie schüttelte den Kopf. »Danke nein. Das ist deine Prüfung, nicht meine. Ich arbeite hier nur.«
Das hatte er schon vermutet. »Trotzdem danke für deine Hilfe.«
»Gern geschehen. Du bist eine nette Person.«
Forrest folgte dem Mittelgang ans Ende des Wagens, wo die Tür sich zu einer kurzen Treppe entfaltet hatte. Er stieg sie hinunter. Kaum hatte er die letzte Stufe verlassen, klappten die Stufen wieder ein und verschlossen den Zug, der sich rasch in Bewegung setzte.
»Nun, ich denke, das hast du geschafft«, meinte D. Sideria, die sich langsam wieder einblendete.
»Du kannst gehen, wann immer du willst, Dämonin.«
Forrest wartete, bis der Zug ihm den Weg freigab. In der Mauer auf der anderen Seite des Gleises befand sich nun eine offene Tür; sie sah genauso aus wie die, die Dot gemalt hatte. Dahinter war ein Gelass mit einem Ausgang auf der anderen Seite. Forrest überquerte die Schienen und streckte vorsichtig die Hand vor, nur für den Fall, dass der Eingang nicht echt war. Doch diesmal stieß er nicht mit den Knöcheln an. Er trat in das Gelass. Die zweite Prüfung hatte er überwunden.
Doch da überfiel ihn tiefste Furcht. Ihm wurde schwindlig, und er taumelte rückwärts durch die Tür. Draußen verschwand die Furcht sofort wieder.
Was war geschehen? Er hatte diesmal doch kein Ungeheuer gesehen, auch keine herandonnernde Lokomotive; warum war er nun plötzlich so furchtbar ängstlich?
»Ich glaube, du hast ein Problem, Faun.« Sideria verblasste zufrieden.
Forrest trat einen Schritt vor – und krümmte sich vor Angst zusammen. Erneut taumelte er zurück. Es lag an der Umgebung: Er fürchtete sich vor dem Gelass. Doch dieses Gelass musste er durchqueren, denn es war der einzige Weg ins Schloss, den er kannte.
Er trat so dicht an den Eingang heran, wie er konnte, ohne von der Angst überwältigt zu werden, und lugte hinein.
In dem Raum stand ein kleiner Mann, vielleicht auch ein Elf oder etwas dazwischen. »Wer bist du?«, fragte Forrest.
»Ist das nicht offensichtlich? Ich bin LA, Lost Angel, der verlorene Engel. Ich bin hier, um dir zu helfen, ins Schloss zu kommen. Aber erst musst du deine törichte Angst bezwingen.«
Das also war die dritte Prüfung. Er musste sich stählen und weitergehen. Das war doch einfach genug. Schließlich schien sich LA nicht zu fürchten, folglich gab es in dem Gelass nichts, vor dem man zittern musste.
Erneut trat Forrest vor, und erneut taumelte er zurück. Er hatte nichts zu fürchten als die Furcht selbst! Er konnte den kleinen Raum nicht betreten.
Forrest dachte nach. Das Gelass selber musste von der Furcht durchdrungen sein, sodass jeder, der eintrat, verängstigt war. Aber warum fürchtete sich der verlorene Engel dann nicht? Gab es eine geheime Methode, um die Angst zu neutralisieren? Nein, vermutlich lag auf LA vielmehr ein besonderer Anti-Furcht-Zauber, sodass er nicht betroffen war. Schließlich hätte es wenig Sinn gehabt, wenn die Leute, die für den Guten Magier arbeiteten, sich vor ihren Aufgaben fürchteten.
In beiden vorherigen Fällen hatte es eine Schwelle oder eine Bedrohung gegeben und dazu eine Person, die den Schlüssel zur Lösung besaß. Konnte das wieder so sein? Forrest wäre es ja logischer erschienen, nun vom gewohnten Schema abzuweichen, aber er war schließlich nicht der Gute Magier und wusste nicht, was der alte Mann sich dabei gedacht hatte. Vielleicht
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