Wald-Schrat
sein, denn sie mag dich. Sie wollte dir mehr Zeit geben, nachdem du ihre Maus geküsst hattest, deshalb hat sie deine Uhr zurückgesetzt. Sonst wärst du erst am Nachmittag aus ihrer Höhle gekommen. Der zweite Morgen begann, als du vom Rücken des Eselsdrachen geklettert bist. Der ist ein seltsames Geschöpf; ich besitze keinen Zugang in seinen Verstand, genauso wenig wie zu Chlorine. Das wundert mich eigentlich, denn früher war sie ein ganz gewöhnliches Mädchen, recht unansehnlich und meist schlecht gelaunt, und ihre Träume waren so töricht wie die anderer auch. Nun aber ist sie plötzlich atemberaubend schön, intelligent und freundlich und lebt mit diesem Drachen im Schloss ohne Namen. Ihr Verstand ist für mich völlig undurchsichtig. Es ist geradezu, als wäre sie ein anderer Mensch geworden.«
»Du meinst, Chlorine wohnt wirklich in diesem Schloss? Ich dachte, sie gibt nur an.«
»Doch, sie lebt dort. Das Schloss steht auf einer Wolke, die über Xanth dahinzieht, sodass niemand weiß, was das Schloss dort oben hält. Chlorine lebt wie eine Prinzessin, und dieser Drache nimmt die Gestalt eines Prinzen an. Was sie nachts auf den Luftmatratzen treiben, von denen das schwebende Schloss nur so wimmelt, übersteigt alle Träume, die ich bringen könnte.«
»Du meinst, wie Faunen und Nymphen?«
Imbri schnaubte. »Wenn man sagt, wie Faunen und Nymphen, dann ist das, als würde man Schloss Roogna mit der Hütte eines Köhlers vergleichen. Ich staune eigentlich, dass der entsprechende Storchenschwarm ausbleibt, der müsste nämlich die Sonne verdunkeln. Sie sind ganz gewiss ineinander verliebt. Ich wünschte, ich hätte beobachtet, wie sie sich veränderten; weibliche Neugier, weißt du. Sie müssen über unfassbare Magie gestolpert sein. Am merkwürdigsten erscheint mir, dass sie nichts Besonderes damit anstellen. Sie tun nicht viel mehr denn als Dame und Drache durchs Land zu ziehen und Leuten Gefallen zu erweisen, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Das ist schon komisch.«
»Ja, das meine ich auch. Aber wie konnten sie meinen Nachmittag zum Morgen machen?«
»Dazu wäre eine kräftige Illusion erforderlich oder aber sehr starke Magie. Vielleicht besitzen Chlorine und Nimby einen Spross der Zeitpflanze. Auf jeden Fall scheinen sie dir Tag geschenkt zu haben, damit du deine Aufgabe erfüllen kannst, und noch mehr Tag, als du das Schloss des Guten Magiers verlassen hast. Denn Humfrey hätte solche Zauberkraft niemals verschenkt.«
»Nun, was auch immer der Grund sein mag, ich weiß zu schätzen, was sie für mich getan haben. Dadurch spare ich Zeit, und vielleicht bin ich wirklich rechtzeitig wieder an meinem Baum.«
Gegen Abend kam Schloss Roogna in Sicht. Forrest blieb stehen, um sich das Fell auszubürsten und schlossfein zu machen. Schließlich war Roogna die königlich-menschliche Residenz und gebot einen gewissen Respekt.
Als er weitergehen wollte, sagte Imbri: »Diesmal habe ich es beobachtet! Es ist wieder Morgen.«
Erstaunt blickte Forrest sich um. Imbri hatte Recht; die Sonne stand gerade im Begriff aufzugehen. Er fühlte sich außerdem frisch und ausgeruht, als hätte er eine Nacht geschlafen. »Das ist ein netter Zauber.«
»Das ist ein sehr starker Zauber«, entgegnete Imbri. »Der Rest von Xanth scheint sich nicht zu verändern, nur wir. Wir scheinen ständig Zeit zu gewinnen, ohne zu verlieren, was wir geschafft haben. Es ist, als sollten wir nicht bemerken, welchen Gefallen man uns tut.«
»Nun, wenn er von der Dame und dem Drachen stammt, dann werde ich mich bedanken, wenn ich sie je wiedersehe. Jetzt aber muss ich Ptero finden.«
»Ich führe dich schon hin. Geh ins Schloss und bitte darum, Prinzessin Ida sprechen zu dürfen.«
Als Forrest sich dem Schloss näherte, richtete sich bedrohlich das Grabenungeheuer auf.
»Darum kümmere ich mich«, sagte Imbri. »Alles in Ordnung, Soufflé. Das ist Forrest Faun, und ich bin bei ihm.«
Das Monstrum nickte und ließ sich ins Wasser zurücksinken.
»Hast du nicht gesagt, außer mir könnte dich niemand sehen?«
»Nur die, die ich sehr gut kenne und denen ich mich freiwillig zeige. Soufflé ist schon sehr lange dabei. Er hütet die königlichen Drillinge.«
»Ein Grabenungeheuer kümmert sich um Kleinkinder?«
»Einen Ort wie Schloss Roogna gibt es kein zweites Mal.«
So kam es Forrest allerdings auch vor.
Als sie das Schloss betraten, eilten ihnen zwei etwa sechsjährige Mädchen entgegen und prallten gegen Forrest, bevor sie zum
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