Wald-Schrat
Stehen kamen. Sie trugen einander ähnelnde kleine Kronen. »Ach du liebe Zeit!«, krähte die eine, die rote Haare hatte. »Besucher von weither! Ein Faun von der anderen Seite der Schlucht!«
»Und eine Tagmähre«, fügte die andere hinzu, deren Haar dunkel war.
»Ich darf dir die Töchter Prinz Dolphs und Prinzessin Electras vorstellen«, sagte Imbri. »Prinzessin Dawn, die dir alles über jedes Lebewesen sagen kann, deshalb kennt sie dich, und Prinzessin Eve, die alles über Unbelebtes weiß und deshalb mich erkannt hat.«
»Aber du lebst doch!«, wandte Forrest ein.
»Nein, das stimmt nicht«, widersprach Eve. »Sie ist ein Geist. Sie hat eine halbe Seele, aber keinen Körper. Den hat sie 1067 in der Leere verloren.«
»Sie wissen wirklich Bescheid«, rief Forrest erstaunt aus. »Solche Magie habe ich noch nie gesehen.«
»Das liegt daran, dass noch kein Magier und keine Zauberin je zu deinem Sandelbaum gekommen sind«, erklärte Dawn.
Eine Frau in Blue Jeans hastete herbei. »Kinder! Benehmt euch!«, rief sie. Die beiden kleinen Prinzessinnen traten auf der Stelle zurück und setzten Engelsgesichter auf. »Es tut mir leid«, sagte die Frau. »Die beiden sind einfach nicht zu bändigen. Ich bin ihre Mutter, Prinzessin Electra.«
»Das ist Forrest Faun. Er möchte zu Prinzessin Ida«, erklärte Dawn.
»Und neben ihm ist Mähre Imbri. Sie soll Forrest durch Ptero führen.«
»Ach, ihr seid geschäftlich hier«, sagte Electra. »Kinder, meldet der Prinzessin, dass Besuch für sie da ist.«
Die beiden Mädchen schossen davon. »Äh, vielen Dank«, sagte Forrest. »Ich wollte hier keinen Aufruhr verursachen. Prinzessin Ida kenne ich nicht. Ich soll aber in das Land Ptero gehen.«
Electra blickte ihn verblüfft an. »In welches Land?«
»Ptero. Wo die möglichen Leute sind…«
»Aber Ptero ist doch…« Die Prinzessin stockte. »Nun, ich weiß nicht genau, was Ptero ist. Jedenfalls kann man nicht dorthin gehen.«
»Aber wir müssen dorthin, denn dort soll ich meinen Faun finden.«
Electra blickte noch immer sehr zweifelnd drein. »Ich glaube, das zu erklären überlasse ich lieber Ida.«
»Ich hoffe, jemand erklärt mir etwas. Imbri hat dazu nichts gesagt.«
Die Prinzessin nickte. »Das verstehe ich gut. Komm mit, hier entlang.« Damit drehte sie sich um und führte Forrest und Imbri in einen breiten Korridor.
Mit fliegenden roten und schwarzen Rattenschwänzchen kamen die Zwillinge zurückgeprescht.
»Tante Ida sagt, wir sollen zum Wandteppich!«, rief Dawn hell.
»Sie kommt auch dorthin«, fügte Eve dunkel hinzu. »Sie sagte, das könnte kom… kom…«
»Kompliziert werden«, vollendete Electra das Wort. »Das meine ich wohl auch.« Sie bog ab und führte alle ins Obergeschoss. Forrest war sehr beeindruckt, denn erst zum zweiten Mal in seinem Leben benutzte er ein Treppenhaus, und hier waren die Stufen viel breiter als im Schloss des Guten Magiers.
Schon bald gelangten sie in ein behagliches Zimmer mit hübschem Blick auf einen Garten und den Burggraben. Eine Frau erhob sich höflich, als sie eintraten. Auch sie trug eine Krone, also musste sie ebenfalls Prinzessin sein. Sie sah aus, als wäre sie achtundzwanzig, aber bei Menschenfrauen war Forrest darin nie ganz sicher. Mit ihrem Kopf war etwas merkwürdig.
»Prinzessin Ida, das ist Forrest Faun«, stellte Electra sie einander vor. »Mähre Imbri ist bei ihm, als Führerin und Begleiterin.«
»Imbris Freunde sind auch meine Freunde«, sagte Ida großzügig. »Bitte setz dich und sag mir, was dich hierher führt.«
Forrest nahm auf dem angebotenen Sessel Platz. »Ich muss einen Faun finden, der sich an den benachbarten Pantinenbaum bindet. Der Gute Magier meint, ich soll in Ptero danach suchen. Mähre Imbri ist schon dort gewesen, deshalb soll sie mir den Weg zeigen.«
»Imbri?«, wandte sich die Prinzessin an die Tagmähre. Ihre Augen wurden leer; sie schien aufmerksam zuzuhören. Nach einem Augenblick lächelte sie. Imbri musste ihr einen erklärenden Tagtraum beschert haben. »Aha, ich verstehe… das ist interessant.«
»Wenn du mir also sagen könntest, wo – «
Ida hob sanft ablehnend die Hand. »Das werde ich, aber vorher musst du eine Reihe von Sachverhalten begreifen. Schau auf den Wandteppich.«
Er blickte, wohin sie zeigte, und sah an der Wand einen großen Wandteppich, der von mit höchster Kunstfertigkeit gestickten xanthischen Szenen besetzt war. Die Stickereien waren so wirklichkeitsgetreu, dass sie sich zu bewegen
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