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Wald

Wald

Titel: Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Waechter
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Schlamm versinken, ziehen sie sich wieder ins Gestrüpp zurück. Die Samtmäntel haben sich voll Wasser gesogen und drücken die beiden in die Knie wie zwei Federn unter dem Gewicht eines Steinbrocken. In einiger Entfernung schlägt ein Blitz in einen Baum.
    Es geht mittlerweile auf den Abend zu, als Envin erschrocken stehen bleibt. Er hat ein Geräusch gehört, traut sich nicht, etwas zu sagen, wegen der schlechten Erfahrung mit seiner Drachenbegegnung. Sidus bleibt nun auch stehen und dreht sich nach Envin um.
    »Was hast Du? Schon wieder eines deiner Gespenster?«
    Sidus will gerade zum Lachen ansetzen, da hört er es auch. Im Bruchteil einer Sekunde schmeißt er seine Taschen und die Lanze zur Seite, zieht sein Schwert, pirscht den Hügel zu seiner Linken hinauf und verschwindet zwischen den Bäumen. Envin zieht ebenfalls seine Waffe, verheddert sich aber mehrmals in seinem Mantel, bis er die stählerne Klinge endlich vor sich halten kann. Er beschließt, seinem Bruder zu folgen, da er sich noch mehr fürchtet, wenn er alleine zurückbliebt. Mehrmals rutscht Envin ab, als er versucht die Steigung emporzusteigen, die sein Bruder kurz zuvor problemlos hinaufrannte. Er klammert sich an die aus der Erde ragenden Wurzeln eines alten Baumes, der über ihm steht, und zieht sich hoch. Als Envin auf der höher liegenden Ebene angekommen ist, sieht und hört er Sidus nicht mehr.
    Das Wasser rinnt in Bächen an seinen Haaren herab, während er vorsichtig Ast um Ast zur Seite schiebt und sich durch das Dickicht tastet. Dann lässt der Regen nach und Stille kehrt ein.
    Nichts.
    Erleichterung macht sich in Envins Magen breit und lässt seine Organe wieder normal funktionieren. War es diesmal tatsächlich nur ein Wildschwein und kein Drache? Eine Hand fällt wie aus dem Nichts auf seine Schulter.
    Envin fährt zusammen.
    Sein Schwert landet im Dreck.
    »Komm mit, ich zeig dir was Lustiges«, flüstert Sidus und schleicht davon.
    Envin zieht seine Waffe aus dem Morast und folgt seinem großen Bruder. Sidus schiebt vorsichtig Äste zur Seite und tänzelt leise um Blätterhaufen. Ein Geräusch wird immer lauter, schließlich klingt es menschlich, fast wie ein Kichern. Hinter einem großen Baum bleibt Sidus stehen und deutet geradeaus. Jetzt kann Envin die Quelle der Laute sehen. Es scheint ein Mann zu sein, oder das, was von ihm übrig geblieben ist. Eigentlich ist das Wesen ein großer, sich träge bewegender Matschklumpen. Bei genauerer Betrachtung kann Envin die Arme und den Kopf erkennen. Kein Zweifel, das Erdmonster muss einmal ein Mensch gewesen sein. Es steht mit dem Gesicht einem Baumstamm gegenüber, den es mit einer Hand streichelt, während es mit piepsiger Stimme vor sich hinmurmelt.
    »Sieh dir das an, Envin, ein laufender Lehmbrocken!«
    Das Morastwesen scheint Sidus nicht weiter zu beachten, als er lachend ein paar Schritte auf es zumacht. Envin stützt sich im Geäst und beobachtet die unwirkliche Szenerie.
    »Hihihi«, und dann »grummahchkrm --- hm ---«, meint er zu verstehen.
    Sidus stellt sich hinter den Dreckberg und wartet ab, ob er ihn bemerken wird.
    »Schau nur, wir bekommen Besuch«, flüstert das Wesen dem Baum zu.
    »Sagt an, seid Ihr Mensch oder Matsch, sodass wir uns vor euch fürchten müssten?« Sidus lacht über seine eigenen Worte.
    Das Wesen steigt in sein Gekicher ein, ohne sich aber zu Sidus umzudrehen. Der Ritter macht nun einen großen Schritt auf ihn zu und positioniert sich neben ihm, um von der Seite sein Gesicht sehen zu können. Zwischen den getrockneten Lehmbrocken ragen vereinzelt Barthaare heraus und darüber kann Sidus mit etwas Mühe die Nase und dann die Augen ausmachen. Er dreht sich zu Envin.
    »Ich glaube, unter der Kruste verbirgt sich in der Tat ein menschliches Wesen, Bruder! Ist das nicht faszinierend?«
    Dann wendet Sidus sich wieder dem Alten zu und verbeugt sich in einer Geste spontaner Überheblichkeit vor ihm.
    »Graf Sidus von Arravelis und sein wohl geschätzter Bruder Enivn. Zu Euren Diensten, mein Herr.«
    Der Alte fängt an, kleine Stücke von der Rinde abzukratzen und an ihnen zu knabbern. Envin kramt unter seinem Wams ein kleines Stück Zeichenkohle hervor, eingewickelt in eine Rolle Pergamentpapier. Dann lehnt er sich in hockender Position an einen Baum und beginnt die außergewöhnliche Erscheinung zu skizzieren.
    »Sagt an, alter Mann«, erhebt Sidus erneut das Wort. »Was verschlägt Euch in diese verfluchten und menschenleeren Wälder? Wisst Ihr denn nicht,

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