Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wald

Wald

Titel: Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Waechter
Vom Netzwerk:
gefrieren. Sidus weiß es also. Er hat ihn durchschaut. Seine heimliches Verlangen nach seiner Verlobten aufgedeckt.
    »Frauen interessieren sich für starke Männer, Envin. Ruhmreiche Helden. Männer an deren Schultern sie sich anlehnen können. Zu denen sie aufsehen können. Die sie ernähren können und die bereit sind, um sie zu kämpfen. Bist Du bereit für Llyle zu kämpfen?«
    Keine Antwort.
    »Siehst Du, Envin. Du bist nicht der Held, den Du auf dieses Pergament gezeichnet hast.«
    »Wenigstens liebe ich sie«, krächzt der am Boden Liegende.
    »Liebe! Liebe. Was für ein großes Wort kleiner Bruder.«
    Sidus dreht Envin den Rücken zu, seine Stimme bricht.
    »Was heißt das überhaupt Liebe? Wenn es nach mir geht, dann können alle diese Minnesänger mit ihrem schwülstigen Tralala meinen Hintern küssen. Meinst Du etwa, das wäre Liebe, Envin? Sinnloses Geschwafel von Blumen und Wiesen, um eine Frau zu beeindrucken. Und dann diese Gejammere den ganzen Tag, wenn die Angebete den Minnediener nicht erhört. Und wenn sie ihn erhört, was kommt danach? Lebenslange Liebe?«
    Sidus spuckt auf den Boden. Envin erhebt sich aus der Versenkung, indem er mühsam einen Arm nach dem anderen aufstützt und sich an seinem Elend emporzieht. Wie ein Schatten baut er sich langsam hinter seinem Bruder auf.
    »Das ist doch Unsinn, Envin! Für eine Frau zu sorgen, sie zu beschützen – das ist Liebe.«
    »Ach so!«
    Envin steht jetzt genau hinter ihm und spricht ihm leise, aber mit einem bissigen Tonfall, ins Ohr.
    »Und wie sieht es aus, wenn man sich mit jeder Kürchendirne vergnügt, die einem über den Weg läuft. Ist das auch Liebe?«
    Sidus wirbelt seinen Körper herum und packt Envin mit beiden Händen am Hemdkragen.
    »Misch dich nicht in mein Leben ein!«
    Envin reißt sich los, dreht sich weg und wischt sich Sidus' Spucke aus dem Gesicht. Schnaufend stößt er einen Atemzug nach dem anderen aus.
    Nun ist es Sidus, der sich drohend hinter ihm aufgebaut hat und ihn mit kaltem Blick anstarrt. Auf einmal fängt er an zu lachen. Nicht langsam, erst mit einem leisen Kichern beginnend und allmählich in einen Wahn hineinsteigernd – sondern plötzlich, aus vollem Halse, wie Wellen des Hohns, die auf die Welt um ihn herum einbrechen.
    Envin sieht seinen Bruder nicht an. Starrt einfach gerade aus und reagiert nicht. Eigentlich würde er Sidus gerne nach dem Grund für seinen unpassenden Gefühlsausbruch fragen, doch es passiert nichts. Regungslosigkeit bei dem Einen und Haltlosigkeit bei dem Anderen.
    Dann fängt sich Sidus und ergreift das Wort.
    »Weißt Du eigentlich, was so witzig ist, Envin?«
    Er wartet die Antwort, die Envin nicht geben würde, nicht ab.
    »Witzig ist, dass das alles egal ist. Es ist egal, mit wem ich mich vergnüge, Envin! Llyle gehört mir. Sie ist mir versprochen. Niemand kann dagegen etwas unternehmen, nicht einmal sie selbst!«
    Er dreht sich um und läuft ein letztes Mal auf Envin zu.
    »Und Du Envin ---«
    Seine Miene verfinstert sich, beinahe so als würde sein Gesicht von einem schrecklichen Unwetter heimgesucht werden.
    »Du bist derjenige, der am wenigsten dagegen unternehmen kann.«
    Diesmal lacht er nicht.

»Das Brechen der Rose«
     
    Am Morgen des ersten Tages des neuen Jahres ziehen zwei junge Ritter voll Gram in den Herzen durch einen Wald um einen Drachen zu jagen, eine Flotte von vierzig Schiffen nimmt Kurs auf, um einen Eroberungszug zu starten, und ein Fürst zieht los, um seine Rose zu besuchen.
    »Wartet hier auf mich«, sagt er zu dem Wachmann, der ihn durch die dunklen Gänge der Burg geleitet.
    »Und gebt acht, dass ich nicht gestört werde.«
    Dann klopft er einmal und tritt in Llyles Gemächer, noch bevor man ihm Einlass gewährt. Kralin, die Zofe, kreischt kurz auf.
    »Bitte lasst Eure Herrin und mich einen Moment alleine«, gebietet der Fürst und Kralin gehorcht.
    Svetopluk schweigt. Und lächelt, als er sie sieht. Sie ist schön, seine Rose, selbst dann, wenn sie ihn wie jetzt, verächtlich ansieht. Um sein Herz wird es warm, auch wenn er nicht zu sagen vermag, ob das Feuer in seinem Bauch durch sie oder durch das brennende Holz im Kamin hervorgerufen wird. Noch immer antwortet er nicht, stattdessen stellt er sich an die Quelle der Hitze und wärmt seine Hände.
    »Ihr seid gekommen, um Euch an meinem Feuer zu vergnügen?«
    »Ihr wisst, dass es nur in den Gemächern der Damen Kamine gibt. Selbst ich als Burgherr habe keinen.«
    »Ist das wirklich der Grund, warum Ihr

Weitere Kostenlose Bücher