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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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gekauft, hätten wir die ganze Reise mit Fasten verbracht.« Sie fürchteten schließlich, der Hunger und der mangelnde Schlaf aufgrund »der barbarischen Gesänge der Wilden (denn sie sangen sich in den Schlaf)«
    würden ihnen die Sinne rauben und sie würden es nicht nach Hause schaffen, solange sie noch Kraft zum Reisen hätten, und traten bald den Heimweg an. Was die Unterbringung angeht, so gebe ich zu, daß sie recht dürftig bewirtet wurden, auch wenn, was sie als eine Unbequemlichkeit empfanden, nichts anderes als Ehrbezeugung war. Doch in bezug auf das Essen wüßte ich nicht, wie sich die Indianer besser verhalten haben könnten. Sie hatten selbst nichts zu essen und waren schlau genug zu wissen, daß Entschuldigungen für ihre Gäste kein
    hinreichender Ersatz für das Essen waren. Also zogen sie ihre Gürtel enger und verloren kein Wort darüber. Als Winslow sie ein andermal besuchte, zu einer Zeit des Überflusses, blieb in dieser Beziehung nichts zu wünschen übrig.
    An Menschen wird es einem kaum irgendwo fehlen. Ich hatte mehr Besuche, während ich in den Wäldern lebte, als zu
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    irgendeiner anderen Zeit meines Lebens. Das will sagen, daß ich deren etliche hatte. Für viele Begegnungen waren die Umstände dort günstiger als sonstwo. Doch besuchten mich auch weniger Menschen wegen alltäglicher Anliegen. In dieser Beziehung wurden meine Besucher schon durch die Entfernung vom Ort gesiebt. Ich hatte mich so weit in den großen Ozean der Einsamkeit zurückgezogen, in welchen die Ströme der Gesellschaft münden, daß sich meistens, soweit es meine Bedürfnisse betraf, nur die allerfeinsten Sedimente um mich herum ablagerten. Außerdem wurden auch die Spuren
    unerforschter und unzivilisierter Kontinente von der anderen Seite bei mir angespült.
    Wer kam eines Morgens zu meiner Hütte? Es war ein wahrhaft homerischer Mann, ein Paphlagonier - er trug einen so passenden und poetischen Namen, daß ich bedaure, ihn hier nicht drucken zu können. Er war Kanadier, ein Holzfäller und Pfostenmacher, der es fertigbrachte, am Tag seine fünfzig Pfosten zu schlagen und sich abends an einem Murmeltier gütlich zu tun, das ihm sein Hund gejagt hatte. Auch er hat von Homer gehört, und »wenn es keine Bücher gäbe«, wüßte er
    »nichts mit Regentagen anzufangen«, auch wenn er vielleicht in vielen Regenzeiten noch nicht eines wirklich durchgelesen hat.
    Ein Geistlicher seiner Heimatgemeinde, der Griechisch sprach, hatte ihn seine Verse lesen gelehrt. Nun mußte ich für ihn, während er das Buch hielt, Achilles' Rüge des Patroklos für sein trauriges Verhalten übersetzen.- »Warum vergießt du Tränen, Patroklos, wie ein kleines Mädchen?«
    »Oder hast du allein Neuigkeiten aus Phthia erhalten?
    Man sagt, daß Menötius, Sohn des Aktor, noch lebt,
    Und auch der äakidische Peleus lebt noch unter den
    Myrmidonen,
    Wäre einer der beiden gestorben, würden wir zutiefst trauern.«
    Er sagt dazu: »Das ist gut.« Unter seinem Arm trägt er ein großes Bündel weißer Eichenrinde für einen Kranken, die er an jenem Sonntagmorgen gesammelt hatte. Für ihn war Homer ein
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    großer Dichter, obgleich er nicht wußte, wovon er schrieb. Ein einfacherer, natürlicherer Mann ließe sich schwerlich finden.
    Laster und Krankheit, die auf Erden einen so düsteren Schatten werfen, schienen für ihn so gut wie nicht vorhanden. Er mochte achtundzwanzig Jahre alt sein und hatte Kanada und sein Elternhaus vor zwölf Jahren verlassen, um in den Vereinigten Staaten zu arbeiten und sich von dem verdienten Geld einmal eine Farm zu kaufen, möglicherweise in seiner Heimat. Der Mann steckte in einer rauhen Schale; er hatte einen
    stämmigen, schwerfälligen Leib, den er dennoch mit Grazie bewegte, einen starken, sonnenverbrannten Nacken, dunkles, buschiges Haar und schläfrige blaue Augen, die hin und wieder ausdrucksvoll aufblitzten. Eine flache graue Tuchmütze, ein schmutzigbrauner, wollener Überrock und Rindslederstiefel bildeten seinen Anzug. Er war ein starker Fleischesser und trug sein Mittagessen gewöhnlich in einem Blecheimer oft viele Meilen bis zu seinem Arbeitsplatz, denn er schlug den ganzen Sommer hindurch Holz; kaltes Fleisch, oft kaltes Murmeltier und Kaffee in einer Feldflasche, die an einer Schnur von seinem Gürtel baumelte; manchmal bot er mir einen Schluck daraus an.
    Früh am Morgen kam er über mein Bohnenfeld
    dahergeschlendert; er ging nicht hastig und unruhig zur Arbeit wie die Yankees. Er

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