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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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auffiel; er war sich ihrer nicht einmal bewußt. Wissende waren für ihn Halbgötter. Sagte man ihm, daß solch einer kommen werde, dann verhielt er sich, als ob jemand so Großes nichts von ihm erwarten könne,
    sondern alle Verantwortung selbst übernehmen und ihn der Vergessenheit überlassen müsse wie bislang. Nie hörte er so etwas wie Lob. Seine besondere Verehrung galt dem
    Schriftsteller und Prediger. Was diese vollbrachten, waren Wunder für ihn. Als ich ihm erzählte, daß ich recht ordentlich schrieb, dachte er lange Zeit, daß ich mich nur auf die Handschrift bezog, denn auch er konnte überraschend schön schreiben. Manchmal fand ich den Namen seines Heimatorts neben der Landstraße hübsch in den Schnee geschrieben, mit den richtigen französischen Akzenten; dann wußte ich, daß er
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    hier vorbeigekommen war. Ich fragte ihn, ob er denn keine Lust hätte, seine Gedanken aufzuschreiben. Er antwortete, daß er bisher nur für andere gelesen und geschrieben hätte, die es selbst nicht konnten, und noch nie versucht hatte, Gedanken niederzuschreiben - nein, das könnte er nicht, er wüßte nicht, was er zuerst schreiben sollte, es würde ihn verwirren, und dann müßte man zur gleichen Zeit auch noch auf
    Rechtschreibung achten!
    Ein großer Geist, ein Weltverbesserer, soll ihn einmal gefragt haben, ob er sich die Welt nicht anders wünsche. Er aber antwortete, erstaunt auflachend und ohne zu ahnen, daß diese Frage je zuvor gestellt worden war, mit seinem kanadischen Akzent: »Nein, ich bin ganz zufrieden!« Für einen Philosophen müßte es sehr anregend sein, sich mit ihm zu unterhalten.
    Einem Uneingeweihten kam er sicher sehr unwissend vor, für mich jedoch war er ein Mensch, wie ich noch keinem zuvor begegnet, und ich wußte manchmal nicht, ob ich ihn für so weise wie Shakespeare halten sollte oder für so einfältig wie ein Kind; für einen Menschen mit feinem poetischen Empfinden oder aber für ein beschränktes Wesen. Ein Städter sagte mir, er habe den Kanadier mit seiner kleinen, flachen Mütze vor sich hinpfeifend durch den Ort schlendern sehen, und er sei ihm vorgekommen wie ein verkleideter Prinz.
    Seine einzigen Bücher waren ein Almanach und ein
    Rechenbuch, in dem er sich gut auskannte. Das erste war für ihn eine Art Enzyklopädie, von der er annahm, daß sie eine Zusammenfassung des gesamten Menschheitswissens enthielt, was in gewissem Maß ja auch stimmt. Ich befragte ihn gern zu den neuesten Entwicklungen der Zeit, und er versäumte es nie, sie aus dem einfachsten und sachlichsten Blickwinkel
    wiederzugeben. Von manchen Dingen hatte er nie zuvor
    gehört. Ob er auf Fabriken verzichten könne, fragte ich. Er trage einen handgemachten Mantel aus Vermont, sagte er, und der sei gut. Ob er ohne Tee und Kaffee leben könne? Ob es in diesem Land noch etwas anderes als Wasser zu trinken gäbe?
    Er mache sich ein Getränk aus in Wasser eingeweichten
    Schierlingsblättern, das er an warmen Tagen dem Wasser
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    vorziehe. Als ich ihn fragte, ob er ohne Geld auskommen könnte, erläuterte er mir die Vorteile des Geldes auf eine Art, die mit den meisten philosophischen Ansätzen über den
    Ursprung dieser Institution übereinstimmen würde, sogar mit denen über die Herkunft des Wortes pecunia. Wenn er einen Ochsen besäße, aber Nadel und Faden im Laden kaufen
    wollte, hielte er es für sehr unbequem und bald unmöglich, jedesmal für den entsprechenden Betrag einen Teil seines Tieres zu verpfänden. Er verteidigte viele Einrichtungen besser als ein Philosoph, weil er, indem er schlicht ihre Auswirkung auf sein eigenes Leben beschrieb, den wahren Grund für ihre weite Verbreitung nannte, und selbst Mutmaßungen hätten ihn nicht weiter geführt. Ein anderes Mal erwähnte ich, wie Plato den Menschen definierte - ein Zweifüßer ohne Federn -und, daß einer einmal einen gerupften Hahn als Platos Menschen
    ausstellte. In diesem Fall betrachtete er es als bedeutenden Unterschied, daß sich die Knie in die falsche Richtung beugten.
    Mitunter rief er aus: Wie schön es ist zu reden! Himmel, ich könnte den ganzen Tag lang reden! Einmal, als ich ihn viele Monate nicht gesehen hatte, fragte ich ihn, ob ihm über den Sommer ein neuer Gedanke gekommen wäre. »Lieber Gott«,
    sagte er, »ein Mensch, der so viel arbeiten muß wie ich, kann froh sein, wenn er die Gedanken nicht vergißt, die er schon hatte. Wenn du dich mit dem Mann, mit dem du Unkraut jätest, auf ein Wettrennen einläßt,

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