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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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alles an ihm nur das Ergebnis klugen Verhaltens sei. Dann aber erkannte ich, daß auf dieser echten Grundlage der Wahrheit und
    Offenheit, wie sie der arme schwachköpfige Almosenempfänger schuf, sich unser Gedankenaustausch zu etwas Besserem
    erheben könnte als der Gedankenaustausch mit einem Weisen.
    Manche meiner Gäste zählte man zwar für gewöhnlich nicht zu den Armen der Stadt, sollte es aber vielleicht tun; sie gehörten auf jeden Fall zu den Armen der Welt; Gäste, die nicht als Gast, sondern als Patient kommen. Sie wünschen ernstlich, daß man sich um sie kümmere, und leiten ihre Bitte mit der Mitteilung ein, daß sie sich auf keinen Fall selbst helfen werden. Von einem Besucher verlange ich, daß er nicht wirklich am Verhungern ist,
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    wenngleich er den größten Appetit der Welt haben mag, egal woher. Menschen, die der Wohlfahrt bedürfen, sind keine Gäste. Es kamen manche, die nicht wußten, wann ein Besuch beendet ist, selbst wenn ich mich wieder an meine Arbeit machte und ihnen aus immer größerer Entfernung antwortete.
    Zur Wanderzeit besuchten mich Menschen fast aller
    Intelligenzgrade, darunter solche, die mehr Verstand besaßen, als sie anwenden konnten: davongelaufene Sklaven mit
    Südstaatenmanieren, die wie der Fuchs in der Fabel von Zeit zu Zeit aufhorchten, als hörten sie die Hunde hinter sich bellen, und die mich flehentlich anblickten, als wollten sie sagen:
    »O Christenmensch, wirst du mich zurückschicken?«
    Unter ihnen war ein wirklicher flüchtiger Sklave, dem ich ein Stück weiterhalf in Richtung auf den Nordstern zu. Da gab es Männer mit einer Idee, die mir vorkamen wie eine Henne mit einem einzigen Küken, das obendrein eine kleine Ente war!
    Männer mit tausend Ideen und wirren Köpfen wie Hennen, die auf hundert Küken achtgeben müssen, die alle einem Käfer nachlaufen, so daß sie allmorgendlich ein Dutzend verlieren und schließlich wirr und schäbig werden; Männer mit Ideen statt Beinen, eine Art intellektueller Tausendfüßler, die einen kribbeln machen. Einer von ihnen schlug mir ein Buch vor, in das jeder Besucher wie in den White Mountains seinen Namen schreiben sollte! Ach was! - mein Gedächtnis ist viel zu gut, um so etwas nötig zu haben.
    Ich kam nicht umhin, einige Eigenarten an meinen Besuchern festzustellen. Mädchen, Knaben und junge Frauen schienen gewöhnlich froh, in den Wäldern zu sein. Sie sahen in den See und nach den Blumen und machten etwas aus ihrer Zeit.
    Geschäftsleute dagegen, sogar die Farmer, dachten nur an die Einsamkeit, die Arbeit und die große Entfernung, die mich von gewissen Dingen trennte; und, selbst wenn sie sagten, daß ihnen viel an einem gelegentlichen Waldspaziergang liege, war offensichtlich, daß das nicht stimmte. Rastlose, vielbeschäftigte Männer, deren ganze Zeit darauf ging, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und zu bewahren; Geistliche, die redeten, als hätten sie ein Monopol auf Gott, und abweichende Meinungen nicht
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    gelten ließen; Ärzte und Rechtsanwälte, nervöse
    Wirtschafterinnen, die in meinen Schrank und in mein Bett spähten, wenn ich nicht zu Hause war - woher sonst konnte Mrs.- wissen, daß meine Laken nicht so sauber waren wie die ihren? -, junge Männer, die nicht mehr ganz so jung waren und beschlossen, daß es am klügsten wäre, den ausgetretenen Pfad eines Berufs einzuschlagen: alle diese Menschen
    behaupteten gewöhnlich, daß es unmöglich sei, in meiner Lage Gutes zu tun. Ach! Da lag der Hase im Pfeffer! Die Alten, Kranken und Ängstlichen jeden Alters und Geschlechts dachten nur an Krankheit, Unfall und Tod. Ihnen erschien das Leben voller Gefahren - welche Gefahren birgt es bei genauerer Betrachtung denn eigentlich? Sie dachten, daß ein vernünftiger Mensch sich sorgfältig den sichersten Ort zum Leben
    aussuchen würde: dort, wo Dr. B. in kürzester Zeit zur Stelle sein könnte. Für sie war die Stadt buchstäblich eine com-munitas, ein Bund der gegenseitigen Verteidigung. Ich nehme nicht an, daß sie je ohne Verbandskasten in die Heidelbeeren gingen. Schließlich läuft ein Lebender immer Gefahr zu sterben, aber man sollte die Gefahr nicht überschätzen, sonst wäre man von vornherein mehr mit dem Tod als mit dem Leben
    beschäftigt. Ein Mensch kann nicht nur Gefahr laufen, er kann auch Gefahren sitzen. Dann gab es noch die selbsternannten Reformer, die größten Langweiler von allen; sie dachten, daß ich immerfort mein Liedchen sang:
    »Das ist das Haus, das ich

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