Waldmeister mit Sahne
leise und ohne auf den Spaß einzugehen.
„Das will ich meinen.“ Joachim gab ihm einen Schubs. „Auf meine alten Tage will ich mich schließlich nicht an einen anderen Pfleger gewöhnen müssen.“
Seine Worte zauberten das Lächeln in Michas Gesicht zurück.
„So alt bist du doch gar nicht.“
„Du wirst es merken, wenn du mich nach Hause tragen darfst.“
Sie setzten ihr Geplänkel bis zum Kohlmarkt fort und suchten sich dann bei Joachims Lieblingsitaliener einen freien Platz. Es dauerte eine Weile, bis sie bestellen konnten, aber endlich hatte Joachim die Gelegenheit, sich in seinem Stuhl zurückzulehnen und die Leute zu mustern. Das Eiscafé war wie immer ziemlich voll. Am Ulrichsbrunnen saßen ein paar junge Leute, die Gitarre spielten. Kinder tobten auf dem Platz zwischen den Tischen der verschiedensten Lokale umher. Es roch nach Kaffee, chinesischem Essen und Pizza. Und es war niemand da, den Joachim kannte. Zum Glück. Da fiel ihm auf, dass Micha ihn beobachtete.
„Feind in Sicht?“, fragte der mit leichtem Spott in der Stimme. Joachim wusste, dass er sich an diese Heimlichtuerei einfach nicht gewöhnen wollte.
„Nein, Sir. Alles nur unbekannte Zivilisten. Bei dem Wetter werden die meisten ohnehin zum Schwimmen gefahren sein. Ich möchte nicht wissen, was in den Freibädern los ist. Die werden da wie die Sardinen in der Dose nebeneinanderliegen.“
„Nur wir Idioten joggen.“ Micha grinste und streckte seine Beine aus.
„Das hat auch so seinen Reiz.“
Michas Grinsen wurde breiter. „Gleich erzählst du mir, dass du gar nicht schlapp wie ein alter Lappen bist, sondern absichtlich hinter mir herläufst, weil du dich an meinem Anblick aufgeilst.“
„Wann hat man denn sonst die Gelegenheit für einen Blick auf solche strammen Waden?“ Joachim zwinkerte ihm belustigt zu und nahm im nächsten Augenblick sein Eis in Empfang: zehn stattliche Kugeln Waldmeister mit einer doppelten Portion Sahne. Micha hatte sich eine große Portion Spaghetti-Eis bestellt. Angesichts Joachims Riesenbecher musste er lachen.
„Lach nicht. Ich bin halt total versessen auf Waldmeister mit Sahne. Da kann ich nichts machen.“ Joachim begann zu löffeln. Das Eis war sehr cremig und die Sahne dort gefroren, wo sie mit den Eiskugeln zusammentraf.
„Dass du gleich übertreiben musst“, brummte Micha. Eine Weile schwiegen sie, genossen die kühle Köstlichkeit und lauschten den Gesprächen von den Nachbartischen. Zwei Hunde fielen sich beinahe an und es dauerte eine ganze Weile, bis die Besitzer das wilde Kläffen unter Kontrolle gebracht hatten. In der Nähe krähte ein Kleinkind und bekam eine Waffel in die Hand gedrückt, die es ruhigstellte. Joachim musterte Micha, der seinen Eisberg aushöhlte und die Sahne unter seinem Vanilleeishügel hervor kratzte. Er hatte Gänsehaut auf den Armen.
„Wieso hast du bei diesem Wetter Gefrierpickel?“, fragte Joachim und deutete mit dem Eislöffel in Richtung des strahlendblauen Himmels.
„Die bekomme ich jedes Mal beim Eis essen. Damit mich hinterher immer jemand aufwärmen kann.“ Sein Blick hätte nicht anzüglicher sein können. Joachim brach der Schweiß aus und dieses Mal lag es nicht an der Sonne. Hastig widmete er seine Aufmerksamkeit einigen weiteren Kindern, die ein paar Tauben jagten. Micha konnte ihn wirklich aus der Fassung bringen! Er rutschte einen Moment lang auf seinem Stuhl hin und her, bis er eine Position fand, in der sich seine Sporthose nicht zu eng anfühlte. Erneut regte sich in ihm das schlechte Gewissen.
Schauspieler, flüsterte es ihm zu und verdarb damit Joachim die Lust auf das Eis.
Er sitzt dir direkt gegenüber und bemüht sich einerseits hetero zu wirken und dir andererseits gleichzeitig seine Liebe zu zeigen und du lügst ihn in einer Tour an.
Sommer
In meiner Jugend war die Luft noch sauberer und der Sex schmutziger.
(Jack Nicholson)
Michael stand an seiner Tür und lauschte Jos Schritten, die sich über die knarrende Wendeltreppe von seiner Wohnung entfernten. Gleich darauf hörte er das Klappen der Zwischentür im Erdgeschoss und einen kurzen Moment später die Haustür, die ins Schloss fiel. Jetzt war er wieder fort. Michael seufzte und kroch ins Bett zurück, wo er seine Nase in das Kopfkissen presste, auf dem vor einer kleinen Weile Jos Kopf geruht hatte. Seit April waren sie zusammen und es war definitiv die beste Zeit seines Lebens. Ein weiterer Seufzer entfleuchte ihm. Ein sogenannter Grabesseufzer. Michael
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