Waldmeister mit Sahne
Tages zum TÜV musste, war er irgendwie gar nicht gekommen. Bestimmt zog er ein nicht gerade geistreiches Gesicht. Erst recht nicht, als eine langbeinige Blondine in einem knappen Mini aus dem Golf kletterte und ihm mit einem Augenklimpern den Fahrzeugschein reichte.
„Hallo“, grüßte sie.
„Guten Tag, Frau … äh …“
„Thiel. Mein Name ist Thiel.“
Wieso denn Thiel? Hatte Jo eine Schwester, die er bislang nicht erwähnt hatte?
„Ist das Ihr Fahrzeug?“, fragte Michael daher.
„Welches?“
„Na, der Golf.“ Sicher nicht der Porsche, der nebenan auf der Hebebühne dem prüfenden Auge seines Kollegen standhalten musste. Die Blondine drehte sich zu Jos Wagen um.
„Ach, der VW“, sagte sie nicht gerade geistreich.
„Genau. Der VW Golf. Ist das nun Ihr Fahrzeug?“ Hallo? Und das war erst die 500-Euro-Frage …
„Nein, der gehört Achim.“
Achim? Achim klang wie Rachitis. Aber sie konnte nur Jo meinen. Jo-Achim. Na klar.
„Achim?“, fragte Michael trotzdem, denn er wollte natürlich mehr erfahren.
„Meinem Ehegatten“, erklärte sie. Wer benutzte denn heutzutage das Wort Ehegatte ? He, Augenblick! Michael rang wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft.
„Ehegatte?“, entfuhr es ihm eine Spur zu heftig. Die Blondine schaute ihn an, als hätte er ein Furunkel im Gesicht.
„So nennt man jemanden, mit dem man verheiratet ist.“ Jetzt kicherte sie.
Ach nee. Als ob er das nicht wüsste. Michael schaute sich den Golf ein weiteres Mal an. Keine Frage, es war eindeutig Jos Golf. Jos Golf und Jos Frau. Scheiße! Der Typ hatte ihm eine komplette Ehefrau verschwiegen. Das gab es doch gar nicht! Ihm spielte Jo den Schwulen vor, nannte sich seinen Freund und daheim vögelte er seine Ehefrau. Ein verdammter Hetero mit Bock auf Ausflüge in die Welt der Gays. Und er Blindgänger war auf diesen Flötenkönig reingefallen. Michael spürte, wie die kalte Wut in ihm hochkroch. Jo hatte ihn kackendreist belogen und betrogen. Und Blondie hatte ihm soeben mit ihren lackierten Fingernägeln die rosarote Brille von der Nase gerissen. Jos … hrrrrg! … Ehefrau klimperte ihn schon wieder mit ihren schwarz getuschten Wimpern an.
„Sie wollten sich wohl mit mir verabreden, ja? Nun, wir könnten uns wirklich mal miteinander treffen. Sie verstehen?“, schlug sie Michael mit viel zu viel Selbstbewusstsein vor. Er starrte die Blondine an. Gerade eben hatte sie mit ihren spitzen Nägeln sein Herz herausgerissen und nun bot sie ihm eine Affäre an? Eine Affäre mit der Ehefrau seines angeblich schwulen Freundes? Blondie, ich tauche dich gleich in ein Fass Altöl! , knurrte Michael in Gedanken.
„Und? Was halten Sie davon?“ Ihr Kichern klang affektiert.
„Wissen Sie, was ein Zwieback ist?“, wollte er äußerlich ganz ruhig wissen. Fragend schaut sie ihn an.
„Deutlich intelligenter“, beantwortete er daher selbst die Frage. Es gelang ihm bis sieben zu zählen, bevor sie es schnallte. Ihr pinkfarbener Mund klappte empört zu und ihr Gesicht nahm einen hochmütigen Ausdruck an. Wenigstens verstummte das blöde Kichern. Michael deutete auf den Golf.
„Einsteigen. Wir machen den Beleuchtungstest. Fangen wir mit Standlicht an.“
Sie kletterte in den Golf zurück. Es fuhr sich sicherlich nicht leicht mit diesen Stöckelschuhen. Das Licht ging an.
„Abblendlicht. Okay, nun das Fernlicht.“ Michael zuckte zusammen, weil Blondie hupte und hakte auf seiner Liste gleich das Signalhorn ab. Frau Thiel saß im Golf und grinste verlegen. Nun bewegten sich die Scheibenwischer und reinigten vorbildlich die Frontscheibe. Michael zog eine Augenbraue in die Höhe und dachte an den Zwieback, der sicherlich eine Ahnung davon hatte, wo man das Fernlicht einschaltete. Sein Kollege war nebenan mit dem Porsche fertig und schaute ihnen amüsiert zu. Endlich hatte Blondie das Fernlicht gefunden und den Warnblinker gleich mit. Du liebe Zeit, wie konnte Jo nur an so ein Blödchen geraten?
„Blinker links!“ Der rechte Blinker leuchtete auf. Er hatte es ja geahnt.
„Blinker rechts!“ Nun blinkte es links. Michael hakte ab, sein Kollege gluckste. Und in ihm köchelte es.
Na warte, Jo. Dir drehe ich gepflegt den Hals um.
„Machen Sie mal die Motorhaube auf“, verlangte er. „Da gibt es so einen kleinen Hebel …“
„Den kenne ich. Mein Mann hat mir nämlich gezeigt, wo der Stab zum Ölstandmessen steckt.“ Stolz blickte ihn Blondie an. Michael verkniff sich den Spruch, dass er den Ölstab ihres Mannes
Weitere Kostenlose Bücher