Waldmeister mit Sahne
ab.
„Sie arbeiten selbst im Jugendamt, Herr Thiel. Da wissen Sie genau, dass man verpflichtet ist, jedem Hinweis nachzugehen.“
„Ja, das ist mir klar.“ Trotzdem war Joachim alles andere als erfreut.
„Wo ist mein Bade…“
Ausgerechnet jetzt platzte Micha in die Küche – im Schlafanzug.
Joachim stöhnte. „Ich glaube, ich habe ein Déjà-vu.“
Erschrocken stockte Micha mitten in der Bewegung und starrte die Sozialarbeiterin mit einem Gesicht an, als würde er sich gerade selbst mentale Backpfeifen verpassen.
„Guten Morgen, Frau Talert. Ich suche meinen Bademantel. Wissen Sie, ich war joggen und hinterher duschen und nun …“
Joachim schloss die Augen. Adieu Sorgerecht. Warum konnten sich Sozialarbeiter nicht anmelden? Dann könnte er Micha rechtzeitig einschließen.
„Ich finde es erfreulich, dass Sie sehr auf Ihre Körperhygiene bedacht sind. Nach Ihrem Bademantel dürfen Sie mich allerdings nicht fragen, Herr Döring.“
„Natürlich nicht … Ich… ähm …“
„Im Wäschekorb, Micha“, unterbrach Joachim das Gestammel. „Nimm meinen.“
Er bemerkte, dass Michas Blicke zwischen ihm und Frau Talert hin- und hergeisterten.
„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte er im nächsten Moment. „Wenn es an mir liegt …“
„Ich habe einen anonymen Hinweis erhalten, dass das Kindeswohl in diesem Haus gefährdet ist“, erklärte die Sozialarbeiterin.
„Von wem?“
„Anonym, Micha.“
„Nein, ich wollte wissen, wer hier die Kinder gefährdet. Mein Schlafanzug wird es hoffentlich nicht sein. Und Sie können gerne die Kinder fragen, ob es ihnen gut geht. Die drei sind oben.“
„Genau deswegen bin ich hier“, sagte Frau Talert. „Um die angeblich unzumutbaren Zustände persönlich unter die Lupe zu nehmen.“
„Michael, würdest du dir bitte etwas …“, sagte Joachim mit einer deutlichen Augenverrenkung in Richtung der Sozialarbeiterin.
„Gleich, Jo. Wurden Sie angerufen, Frau Talert? War es eine männliche Stimme?“
Joachim horchte auf. Micha schien einen Verdacht zu haben. Er überlegte selbst schon, ob es sein dämlicher Kollege Dieter gewesen sein könnte.
„Ich habe ein Schreiben erhalten.“ Frau Talert begann in ihrer großen Umhängetasche zu wühlen und zog gleich darauf einen Brief hervor, den sie Micha reichte. An Joachim gewandt sagte sie: „Ich würde jetzt gerne mit den Kindern sprechen. Bringen Sie mich zu ihnen?“
„Sofort.“ Joachim schob Micha aus dem Weg, denn der faltete bereits den Brief auseinander, um ihn zu lesen. Höflich ließ Joachim der Sozialarbeiterin den Vortritt.
„Ich habe es ja geahnt!“, hörte er Micha noch in der Küche fauchen. Ein winziger Hoffnungsschimmer regte sich in ihm. Vielleicht konnte Micha der Sozialarbeiterin eine Erklärung liefern und den drohenden Bericht an das Gericht abwenden.
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Während Frau Talert mit Lucas und Martin sprach, setzte Joachim Kaffee auf. Micha war ins Schlafzimmer zurückgekehrt, um sich eine Jeans und einen Pulli überzuziehen. Der verhängnisvolle Brief lag auf dem Küchentisch. Zögernd nahm ihn Joachim an sich. Neugierig begann er zu lesen. Bereits nach wenigen Sätzen war seine Schmerzgrenze erreicht.
„Drogenmissbrauch?“, zischte er Micha entgegen, der sich nun in vorzeigbarer Kleidung zu ihm gesellte. „Lautstarker Sex, wenn die Kinder im Haus sind?“
Micha reagierte gar nicht, sondern goss sich eine Tasse Kaffee ein. Joachim spürte, wie ihm bedenklich eine Ader schwoll, als er laut weiterlas:
„Und bitte bedenken Sie, dass sich zwei minderjährige Jungen in der Obhut dieses schwulen Pärchens befinden, von denen zumindest einer eine deutliche Neigung zu jüngeren Personen zeigt. Immerhin besteht zwischen dem Paar ein deutlicher Altersunterschied.“ Er knallte den Brief auf den Tisch zurück. Micha lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und nippte an seinem Kaffee.
„Da deutet jemand an, dass ich meine eigenen Kinder anpacke und du schlürfst Kaffee?“, brüllte Joachim außer sich vor Wut.
„Schrei nicht, wenn die Talert da ist.“
„Die Tarantel ist mir egal. Aber das hier ist eine derartige bodenlose Frechheit“, zischte Joachim etwas leiser.
„Olaf“, sagte Micha bloß.
„Was?“
„Olaf. Er hat mir neulich bei Kaufland aufgelauert.“
Joachim sah ihn scharf an. „Und was wollte er?“
„Er hat wie auf einen kranken Gaul auf mich eingelabert, dass ich mich in den falschen Typen verguckt hätte und wie toll es wäre, wenn wir wieder
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