Waldos Lied (German Edition)
König. Er setzte den Mailänder Subdiakon Thebald ein, ein Mitglied seiner Hofkapelle, ohne sich um den königlichen Anwärter Bischof Gottfried oder den päpstlichen Kandidaten Atto zu kümmern. Nachdem Heinrich auch noch in Fermos und Spoletus, zwei Städten im Kirchenstaat, Investituren betrieb, musste Gregor reagieren. Er schrieb Heinrich einen Brief, in dem er ihm strengste Vorhaltungen machte, weil er das Eigenbestimmungsrecht, die Freiheit der Kirche verletzt hat. Gregor denkt sogar darüber nach, den König mit einem Bann zu belegen und ihn damit aus der Gemeinschaft der Gläubigen auszuschließen. Doch selbst das schreckt Heinrich nicht. Er hört nur noch auf jene, die ihm Schmeicheleien ins Ohr blasen und ihm nach dem Mund reden. Selbst das Zureden seiner Mutter und seiner Kusine Mathilde von Canossa-Tuszien richtete nichts aus.«
Ich war zu einem völlig Verzweifelten zurückgekehrt. Hätte ich damals bei ihm bleiben sollen? Ich glaube nicht, dass die Dinge dann anders verlaufen wären. Ich erinnerte mich noch zu gut an seinen Zorn auf die Sachsen nach dem Frieden von Gerstungen. Zu dieser Zeit hätte er auf niemanden gehört.
Dennoch machte ich mir jetzt heftige Vorwürfe und versuchte, ihm zu helfen und ihn aufzurichten, so gut ich konnte. Ich, ein Mann, der selbst den Weg zu Gott verloren hatte. Wir beteten lange miteinander. Bei mir wollte sich das vertraute Gefühl der Verbundenheit mit Gott auch dadurch nicht wieder einstellen, die Leere blieb. Doch den Herzog schienen die Worte und Bitten um Vergebung zu trösten.
»Es ist gut, dass du wieder an meiner Seite bist, Waldo von St. Blasien«, sagte er, nachdem ich ihn gesegnet hatte. »Es gibt mir ein wenig das Gefühl der Hoffnung wieder. Vielleicht kommt mit dir ja auch das Glück zu mir zurück.«
Was sollte ich darauf sagen?
Der Tag der Unterwerfung der aufständischen Sachsen und ihrer Verbündeten war angebrochen. Es war eine böse Saat, die Heinrich ausbrachte. Alles war nur darauf ausgerichtet, seine Feinde aufs äußerste zu demütigen und seinen unbändigen Hass an ihnen auszulassen.
Der König hatte sich mit allem Pomp in der Mitte eines weiten Platzes in Spier auf einen erhöhten Thron gesetzt. Die Truppen standen in dichten Reihen vor ihm, als gehe es in die Schlacht. Dazwischen war eine Gasse freigehalten worden, durch die die geschlagenen Sachsen nun einer nach dem anderen hindurchgeführt wurden, barfuß und in zerlumpten Gewändern, die stolzen Nacken gebeugt, die Augen gesenkt vor Scham, aber auch, um ihren wilden Zorn zu verbergen.
Da kamen sie: der unnahbare Erzbischof Wetzel von Magdeburg, dann der stolze Bischof Burchard von Halberstadt, der wilde Otto von Northeim, der tapfere Herzog Magnus von Sachsen, dessen kämpferischer Onkel, der greise Graf Hermann, der einst so würdevolle und besonnene Pfalzgraf Friedrich von Sachsen, Graf Dietrich von Katlenburg, Graf Adalbert von Ballenstedt, die Grafen Rüdiger von Bielstein, Sizzo von Käfernburg, Berengar von Sangershausen und der Graf von Bern.
Und die Mächtigen der Sachsen fielen vor Heinrich in den Staub und mussten ihm Gehorsam schwören, ebenso wie alle anderen Freigeborenen.
Einige der einfacheren Sachsen, die nicht diesen Weg gehen mussten, standen etwas abseits. Sie weinten offen über die Schmach, die ihrem Volk an diesem Tag angetan wurde.
Das Gesicht des Königs war voller Genugtuung. Heinrich genoss aus vollem Herzen, was sich hier abspielte. Die schmähliche Vorführung der Geschlagenen dauerte über drei Stunden. Ich stand an der Seite Rudolfs und damit unter den anderen mächtigen Fürsten des Reiches. Doch keiner verwies mich des Platzes. Wahrscheinlich bemerkten sie mich noch nicht einmal. Gozelo, der dunkle, bucklige Herzog von Niederlothringen, glich der gespannten Sehne eines Bogens, während er die Geschehnisse beobachtete. Der blonde Welf von Baiern verzog keine Miene, gab sich völlig ungerührt. Doch auch in seinen Augen sah ich den Zorn aufblitzen. Denn was heute mit den Sachsen geschah, konnte bei diesem wankelmütigen König morgen auch ihnen passieren. Herzog Rudolf hatte die ganze Zeit über die Hand am Griff seines Schwertes. Ich glaube, hätte Heinrich an diesem Tag auch nur einem einzigen Sachsen ein Haar gekrümmt, er hätte den König eigenhändig ermordet. Keiner der Sieger der Schlacht an der Unstrut freute sich an dem, was er sah. Außer dem König. Besonders aber litten jene, die Verwandte und Freunde durch diese Gasse gehen
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