Waldos Lied (German Edition)
sich auf Kosten des Königs kräftig den Bauch vollzuschlagen. Die Männer sprachen dem Wein kräftig zu. Es gab viele Betrunkene, die mit einem seligen Lächeln auf dem Gesicht einfach irgendwo zu Boden sanken und ihren Rausch ausschliefen. Andere wiederum wurden übermütig und suchten Händel, besonders die jungen Männer, die ihre Kräfte und ihre Tapferkeit beweisen und die Mädchen beeindrucken wollten. So sah man auch immer wieder die bei solchen Festen üblichen Prügeleien. Das Feiern zog sich hin bis in die frühen Morgenstunden des dritten Tages. So, als existierten keine zwei Männer im Reich, die sich König nannten, als habe es keine Morde oder Plünderungen gegeben. Hier herrschte das pralle Leben.
Am Morgen danach brach Adelheid in aller Frühe zu ihrer Reise nach Ungarn auf. Trotz der vorangegangenen langen Nacht waren viele Menschen aus nah und fern herbeigeströmt, um die Tochter des Königs fortziehen zu sehen. Der Abschied von ihrer Mutter war so herzzerreißend, dass selbst die hochgeborenen Frauen die Fassung verloren und die Bäuerinnen sich die feuchten Augen und die Nase am Ärmel ihres Gewandes abwischten.
Dann setzte sich der Zug mit der prächtig ausgestatteten Braut in Bewegung, der niemand ansah, wie weh ihr ums Herz war. Ein riesiges Gefolge aus Bediensteten und Schreibern folgte ihm. Eine Eskorte aus stattlichen Kämpfern sorgte für ihren Schutz.
Ladislaus und die Tochter Rudolfs heirateten im darauffolgenden Jahr. Adelheid wurde von einem Fremden zum Traualtar geführt. Denn weder ihre Mutter noch ihr Vater konnten bei ihrer Hochzeit dabei sein. Die Königin war schwer krank und Rudolf durch seinen Kampf gegen Heinrich gebunden.
Wenige Tage nach dem Aufbruch ihrer ältesten Tochter reisten Königin Adelheid und ihre Tochter Agnes mit großem Gefolge zusammen mit dem jungen Zähringer ab. Rudolf wollte beide in Sicherheit wissen. Sie würden auf der Limburg im Kerngebiet der Zähringer in Sicherheit sein, hoffte er. Denn der Krieg mit Heinrich rückte näher. Dieser war inzwischen aus Italien zurückgekehrt und versuchte alles, um Truppen um sich zu sammeln. Auch Rudolf und die Sachsen hatten begonnen, sich zum Kampf zu rüsten. Es herrschte die Ruhe vor dem Sturm.
Ich nahm ebenfalls für einige Wochen Abschied von König Rudolf. Er ließ mich nicht gerne ziehen, doch er konnte mir meine Bitte nicht abschlagen. Abt Giselbertus aus St. Blasien hatte mir die Nachricht zukommen lassen, dass im Oktober in St. Blasien die feierliche Verbrüderung mit dem Kloster St. Victor in Marseille besiegelt werden sollte. St. Victor war eines jener Klöster, die sich der cluniazensischen Reform angeschlossen hatten. Abt Bernhard, der im Gefolge von Kardinal Bernhard und anderen Gesandten im Auftrag des Papstes zu Heinrich unterwegs war, würde persönlich nach St. Blasien kommen, um die Urkunde zu unterzeichnen.
Es war einer von vielen Verträgen. Denn Abt Giselbertus war ein rühriger Mann. Er tat nicht nur viel für das irdische Gedeihen der ihm anvertrauten Menschen und das Wohlergehen des Klosters, sondern auch für den geistigen Austausch seiner Herde. So konnte St. Blasien Jahre später stolz auf über sechzig solcher Verbrüderungsverträge hinweisen, neben Cluny und Muri mit Mainz, Köln oder Siegburg, das Erzbischof Anno von Köln gegründet hatte, mit Einsiedeln, Erlach, Radolfzell, Reichenau, Salzburg, Speyer, Zwiefalten. Ich kann sie hier alle gar nicht nennen.
Da er selbst das große Reformwerk in St. Blasien mit in Bewegung gesetzt hatte, musste Rudolf mich wohl oder übel ziehen lassen, ebenso Beringo und Meginfried. Denn beide weigerten sich strikt, mich noch einmal zu verlassen. »Wir haben ja gesehen, wohin das führt«, befand Beringo entschieden, und Meginfried nickte zustimmend. So machten wir uns also wieder einmal zusammen auf den Weg. Allerdings würden wir diesmal nicht so ungezwungen reisen können wie früher. Denn der König hatte uns mehrere Leute zu meinem Schutz mitgegeben. Er hörte nicht auf meine Einwände. Er wolle seinen Berater nicht als Geisel Heinrichs sehen oder gar verlieren, erklärte er mir unmissverständlich. Außerdem nutzten viele Wegelagerer die unsichere Lage im Reich, um Reisende zu überfallen und sich die Taschen zu füllen. Er ließ mir keine andere Wahl. »Entweder, du nimmst die Eskorte an, Waldo von St. Blasien, oder du bleibst hier«, beschied er mich.
Also fügte ich mich zähneknirschend. Ich hatte mich auf die Freiheit gefreut,
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