Waldos Lied (German Edition)
Herzogtum Schwaben ist dies das wichtigste im Reich. Was glaubt Ihr übrigens, wie wird Rudolf, der Herzog von Schwaben, reagieren? «
»Der Rheinfelder ist ein kluger Mann, der zur rechten Zeit zu schweigen und zur rechten Zeit zu handeln weiß. Das hat er schon bewiesen, als er kurz nach des Kaisers Tod dessen Tochter Mathilde entführte. Rudolf ist nicht dumm. Er wird genau wissen, wo sein Vorteil liegt.«
Mit diesen Worten entfernten sich die beiden Männer. An der Hand des einen sah ich im Mondschein kurz einen Siegelring aufblitzen.
Ich war hellwach, an Schlaf war nicht mehr zu denken. Hier war ein übles Spiel mit dem jungen König geplant worden, das war mir klar. Auch wenn ich mir nicht genau zusammenreimen konnte, worum es ging. Der einzige, der jetzt noch helfen konnte, war Rudolf von Rheinfelden. Ich verließ mein warmes Plätzchen im Stall nur ungern. Wie ein Geist, um ja nicht bemerkt zu werden, schlängelte ich mich zwischen den Schlafenden hindurch, die überall lagen — auf dem Vorplatz der Pfalz, auf den Treppen, in den Gängen. Es gab an manchen Stellen kaum eine Handbreit Platz, um einen Fuß auf den Boden zu setzen. Doch ich schaffte es.
Der Herzog war nicht sehr erbaut von der nächtlichen Störung. Er hatte gerade seine Lust an einer jungen Dirne gestillt, die aufschrie, als sie mich durch die Tür in den Raum hineinschleichen sah. Erschreckt zog sie sich ein Kissen über den Kopf — vielleicht in der Annahme, dass ich sie nicht sah, wenn sie mich nicht sehen konnte. So verpasste ich zwar einen genaueren Blick in ihr Gesicht, das ich im dämmrigen Schein der Kerzen nicht richtig hatte sehen können. Dafür hatte ich aber genügend Gelegenheit, den nackten Rest ihres üppigen Körpers um so eingehender zu studieren.
»Schockschwerenot, der Zwerg. Was willst du hier? « Die Worte Rudolfs klangen nicht gerade einladend.
»Verzeiht, Herr, dass ich Euch bei wichtigen ... Geschäften störe, doch ich denke, Ihr solltet Kenntnis von einer Unterhaltung haben, die ich zufällig belauschte.«
»Ich dachte, du hörst schlecht.«
»Nur auf dem rechten Ohr, Herr, das linke ist nach wie vor zum Hören sehr tauglich.«
»Gott sei deiner Seele gnädig, wenn es nichts Wichtiges
ist.«
Da berichtete ich ohne Umschweife, was ich vernommen hatte. Rudolf hörte zu, ohne eine Miene zu verziehen. Dann fluchte er leise. »Der arme Junge. Als Kind versucht man ihn zu ermorden, dann verschleudert seine Mutter mit ihrem Vertrauten Bischof Hermann von Augsburg und der willigen Unterstützung einiger Bischöfe einen großen Teil des Königsguts. Bald darauf wird er entführt. Doch Erzbischof Anno von Köln ist wenigstens nicht ganz so gierig wie die anderen Krähen. Und nun kreisen die Geier um sein Haupt, um ohne Rücksicht auf das Wohl des Reiches weitere Beute zu machen. Erzbischof Adalbert von Bremen und Graf Werner missbrauchen das Vertrauen des Knaben. Sie reißen Klöster und Abteien an sich, und wo sie das nicht tun können, saugen sie die Menschen aus bis aufs Blut, überfallen Kirchen, schänden sie und nehmen die Schätze mit.«
Mir schoss durch den Kopf, dass auch Rudolf vor nicht allzu langer Zeit eine solche Abtei bekommen hatte. Doch ich sagte nichts dazu. Mir war nicht ganz klar, was das alles bedeutete. Doch der Herzog wusste offenbar, worüber die beiden Männer im Stall gesprochen hatten, worauf sie hinauswollten. »Also, Zwerg, sag mir, was soll ich tun? Was sagen die Sterne?«
»Es sind nicht immer die Sterne vonnöten, um eine Antwort zu geben. Ich rate Euch, was Abt Warinharius von St. Blasien in solchen Fällen zu raten pflegt: Betet zu Gott dem Allmächtigen um Erleuchtung. Und dann tut das, was Euch für König und Reich das beste dünkt. Setzt das Reich an die erste Stelle, dann den König, und dann Euch selbst. Und alle drei bewertet niedriger als den Willen und die Gebote Gottes.«
»An dir ist wohl doch ein Mönch verlorengegangen, Zwerg! Ich glaube immer noch nicht recht daran, dass du in die Zukunft sehen kannst. Doch du hast mir in deiner manchmal fast kindlichen Frechheit schon so manch guten Rat gegeben. Es scheint, das Haus Rheinfelden hat Glück, seit du ihm angehörst. Das war eine wichtige Nachricht. So, und jetzt begib dich wieder zu deiner Bettstatt. Ich habe, wie du selbst bemerktest, noch einiges zu bedenken. Hinaus mit euch beiden.«
Mit diesen Worten klatschte er der drallen Dirne so kräftig auf den Hintern, dass sie das Kissen von sich warf und mit einem
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