Waldos Lied (German Edition)
darüber nachdachte, Heinrich vom Thron zu stoßen. Doch Rudolf würde diesen Schritt nicht tun, bevor wirklich sicher war, dass dies auch gelingen würde. Nicht nur der König würfelte mit seinem Schicksal in diesen Tagen.
Die Neuigkeiten überschlugen sich. Immer mehr Fürsten machten sich zornig auf den Heimweg. Und die Sachsen sammelten ihre Truppen. Das beleidigende Verhalten Heinrichs war der Funke, der den wilden Brand ihres Zornes endgültig entfacht hatte. Inzwischen lagerten die Kämpfer der Sachsen bereits in großen Mengen vor den Mauern von Goslar.
Innerhalb der Stadtmauern herrschte Furcht und ein unvorstellbares Durcheinander. Einmal hieß es, die Sachsen bereiteten sich auf einen Angriff vor. Dann kam die Nachricht, sie täten es doch nicht, sondern bewachten nur die Wege zu den Burgen, insbesondere den Weg zur Harzburg, damit ihnen der König nicht dorthin entkommen könne.
»Waldo von St. Blasien, wach auf. Schnell!« Mit diesen Worten riss Berthold von Zähringen mich in der darauffolgenden Nacht aus tiefem Schlaf. Ich wischte mir verwirrt die Augen. Nach dem Durcheinander des vergangenen Tages lag die Pfalz friedlich und ruhig da. Die Menschen schliefen, und nur die Geräusche der Nacht waren zu hören. »Was ist, was ist geschehen?«
»Beeil dich. Deine Stute steht schon bereit. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Und um Himmels willen sprich leise, sonst verrätst du uns noch. Da hinten wartet der König mit seinen Ratgebern Bischof Eppo von Zeitz und Bischof Benno von Osnabrück, Bischof Friedrich von Münster sowie seinem Kaplan Siegfried. Er will versuchen, zur Harzburg durchzukommen. Dort glaubt er sich in Sicherheit.«
»Und was sollen wir dabei?«
»Heinrich hat mich zum Botschafter für Verhandlungen mit den Sachsen bestimmt. Und du gehörst nun einmal zu meinem Gefolge — und zu Rudolf von Rheinfelden. Oder glaubst du, der Herzog will nicht wissen, was hier so alles geschieht? Ich bin froh, dass Heinrich meinem Vorschlag zugestimmt hat, dich einzuweihen. Zuerst wollte er nicht so recht. Aber als er dann hörte, dass du des Herzogs Abgesandter bist, war er einverstanden. In der Nähe des Königs bist du jedenfalls direkt an der Quelle der Ereignisse.«
Das konnte man wohl sagen. Doch mir war nicht wohl dabei. Was, wenn Heinrich noch einmal versuchen würde, mich zu ermorden? Ich schüttelte diesen Gedanken ab, rappelte ich mich auf und sammelte schnell meine wenigen Habseligkeiten zusammen. »Wo ist Kuno von Genf? Wird er uns ebenfalls begleiten?« erkundigte ich mich dabei.
Berthold von Zähringen schüttelte den Kopf. »Er reitet zu Rudolf von Schwaben zurück, um ihn so weit wie möglich von den bisherigen Ereignissen zu unterrichten.«
Ich weiß nicht, was ein Mann im Normalfall so alles mitnimmt, wenn er um sein Leben fürchtet und flieht. Bei Heinrich war es viel. Er hatte alles an Schätzen zusammengerafft, was in der Eile möglich war. Die Pferde waren beladen, als gelte es, eine ganze Burg auszustatten.
Inzwischen hatte ich alles gepackt und kletterte mit Hilfe des ungeduldigen Zähringers auf meine Stute. Heinrich warf mir nicht einmal einen Blick zu, als wir bei den Wartenden ankamen.
Es war wie ein Wunder, dass bei diesem großen Gefolge niemand etwas von der Flucht des Königs bemerkte. Doch alle schienen tief zu schlafen, erschöpft von den Aufregungen des vergangenen Tages, vielleicht aber auch berauscht vom Wein. Kriege, und seien es auch nur anstehende, pflegen Männer durstig zu machen. Das sollte ich noch häufiger feststellen.
So kamen wir ohne Zwischenfälle wohlbehalten auf der Harzburg an. Im Gegensatz zu mir, schien der König nach dem nächtlichen Eilmarsch überhaupt nicht müde zu sein. Sofort begannen die Beratungen darüber, was die Boten Heinrichs den aufständischen Sachsen wohl sagen könnten. Berthold von Zähringen, der als besonnener Mann galt, aber auch als Redner mit einer besonders volksnahen Sprache, war als Überbringer der Nachrichten zusammen mit des Königs Kaplan Siegfried auserwählt. Der Zähringer bemühte sich sehr, den Wortlaut der Botschaften zu mildern, die der zutiefst getroffene König den Sachsen zukommen lassen wollte. Die drei Bischöfe unterstützten ihn dabei.
Mit vereinten Kräften schafften sie es schließlich, Heinrich zur Vernunft zu bringen, und beschlossen, den Sachsen erneut Verhandlungen anzubieten.
Die Unterhändler ritten hin und her. Doch sie kamen zu keinem Ergebnis. Die Sachsen blieben unnachgiebig bei
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