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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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nun folgenden wilden Rittes über Stock und Stein versuchte ich noch einmal, mit ihm zu reden. »Herzog Otto scheint sich in der Burg des Königs gut auszukennen. Woher weiß er von diesem geheimen Gang?« Die Antwort war wieder nur ein Brummen. Unter den Vorfahren dieses Mannes musste ein Bär gewesen sein. Ich gab es auf, weitere Fragen zu stellen.
    Viele Stunden später kam uns ein Reiter entgegen. Der Rücken meines Führers versteifte sich, er griff zum Schwert. Als er jedoch den Mann sprechen hörte, zog er seine Hand wieder zurück. »So hat Euch Ordulf also wohlbehalten hierhergebracht. Ich hoffe, er ist nicht zu grob mit Euch umgegangen.« Otto von Northeim wirkte keineswegs so zerknirscht, wie seine Worte klangen. Im Gegenteil. In seinem Gesicht erkannte ich eine gewisse diebische Freude.
    »Euer Bote hat eine raue Art, einen Mann aus dem Schlaf zu reißen«, erwiderte ich säuerlich, zog es aber vor, lieber nicht auf die näheren Umstände einzugehen.
    Otto von Northeim lachte schon wieder. Ich begann langsam, dieses Lachen zu verabscheuen. »Ja, Ordulf ist ein tapferer Kämpfer. Aber er hat für Zärtlichkeiten nicht viel übrig. Doch beschwere dich nicht, Waldo von St. Blasien. Es war ohnehin schwer genug, an dich heranzukommen. Aber ich gab dir ein Versprechen. Und das werde ich nun halten.«
    »Es ist freundlich von Euch, dass Ihr Euch die Zeit nehmt, uns entgegenzukommen Herr«, erwiderte ich. Mein Ton strafte meine höflichen Worte Lügen.
    »Ich tat es nur, damit du nicht in noch rauere Hände fällst. Denn ohne meine Begleitung könnte es leicht sein, dass dir einer der Versammelten aus Versehen den Hals umdreht. Nicht alle kennen den frommen Zwerg Rudolfs von Rheinfelden.
    Otto von Northeim hatte recht gehabt, als er mir von der Versammlung erzählte. Niemand würde sich nach dieser Nacht bei der Kirche von Hoetensleben daran erinnern, dass ein Mönch mit Namen Waldo dabei gewesen war. Denn weitaus Mächtigere als ich hatten das Wort. Fast alle großen Fürsten aus Sachsen und auch viele aus den anderen Teilen des Reiches waren dem Ruf der Anführer dieser Verschwörung gefolgt. Bischof Bucco von Halberstadt, der Bruder von Anno von Köln, Otto von Northeim, der ehemalige Herzog von Baiern, und Hermann, der Bruder des verstorbenen Ordulf, Herzog von Sachsen und der Onkel von Magnus, den der König unter so schmachvollen Umständen noch immer in der Harzburg gefangenhielt — das sind die Namen der Männer, die als die Köpfe des Widerstandes gegen Heinrich galten.
    Meine Erinnerung reicht nicht aus, um alle aufzuzählen, die außerdem gekommen waren. Selbst der Primus unter den Kirchenfürsten, Erzbischof Siegfried von Mainz, der doch eigentlich den Zehnten für den König in Sachsen eintreiben sollte, war in dieser Nacht in Hoetensleben.
    Da standen sie im Schein der Fackeln. Im Hintergrund, nur hin und wieder kurz beleuchtet, wenn ein Windstoß die Flammen emporzüngeln ließ, erhob sich die kleine, halbverfallene Kirche von Hoetensleben, eine Ruine fast. Sie wirkte wie ein Mahnmal der Vergänglichkeit. Es war eine schaurige Szene. Ich sah bedrückte und zornige Mienen. Jeder der Männer hatte seine eigene Klage vorzubringen. Die einen taten es leise, in mühsam unterdrückter Erregung. Die anderen schrien ihre Wut laut in die Nacht.
    Dann stieg Otto von Northeim auf einen kleinen Hügel. Und nur selten habe ich eine Rede gehört, die die Menschen so sehr bewegte. Er schilderte das unendliche Elend, das die Männer des Königs unter den Menschen in Sachsen verbreiteten. Er zählte alles Unrecht auf, das der König in Sachsen begangen hatte. Und als er es aufzählte, ging ein Stöhnen durch die versammelten Männer. Otto von Northeim sprach lange. Jeder seiner Sätze traf das gewünschte Ziel.
    Am Ende schworen sie alle einen heiligen Eid. Ihre Stimmen erfüllten die Nacht mit einem tiefen Grollen, das mir einen Schauer über den Rücken jagte. Die Kirchenfürsten schworen, dass sie die Freiheit ihrer Kirchen und die Freiheit Sachsens verteidigen wollten, soweit ihr Amt dies zuließ. Die weltlichen Fürsten, dass sie bis zu ihrem Tod für ihre Freiheit kämpfen und dass sie es niemandem jemals wieder gestatten würden, ihre Heimat auszuplündern. Als es daran ging, zu zählen, wie viele Männer diese Runde für den Kampf aufbieten und in kürzester Zeit zusammenbringen konnte, traute ich meinen Ohren kaum. Es waren sechzigtausend Mann, alle zum letzten entschlossen — ohne die Truppen des

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