Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
gross, ansehnlich, tapfer und ohne Übermut. "Dietrich von Bern ist schon weithin berühmt und nicht älter als ich," sprach er. "Mit ihm will ich mich messen im Kampfe; fall’ ich zur Erde, so reich’ ich ihm mein Schwert und werde sein Mann; – vielleicht aber werde ich der Sieger sein." Da schmiedete ihm Wieland eine Rüstung, glänzend wie Silber, hart wie Stahl; einen Helm, mit grossen Nägeln beschlagen, dick und biegsam; eine goldfarbene Schlange war darauf abgebildet, die spie Gift aus dem Rachen; das bedeutete Wittigs Ritterschaft und grimme Streitlust. Sein Schild war weiss, und mit roter Farbe waren Hammer und Zange darauf gemalt, weil sein Vater ein Schmied war; oben im Schilde standen drei Karfunkelsteine, die bedeuteten seiner Mutter Königsgeschlecht. Dazu gab Wieland ihm Mimung, das Schwert, und den Hengst Schimming. Der Sattel war aus Elfenbein und eine Natter darauf gezeichnet.
Seine Mütter gab ihm drei Mark Goldes und ihren goldenen Fingerring. Dann küsste Wittig Mutter und Vater, nahm seinen Speer und sprang in den Sattel, ohne den Steigbügel zu berühren. Da lachte Wieland, als er das sah, geleitete ihn auf den Weg und bezeichnete ihm genau die Strassen, die er zu reiten hatte. Und gab ihm noch manchen weisen Rat, und Vater und Sohn schieden.
Wittig kam nach langem Ritt an einen grossen Strom, aber er fand die Furt nicht, die ihm sein Vater bezeichnet hatte; darum stieg er ab, legte Waffen und Kleider von sich und verbarg sie in einer Erdgrube, damit sie ihm nicht genommen werden könnten, während er im Wasser die Furt suchte. Er watete in das Wasser hinaus und fuhr schwimmend auf und ab im Strom. Da kamen drei Männer des Weges geritten; der eine war Hildebrand, der andre Heime und der dritte Jarl Hornbogi aus Winland, den Dietrich von Bern zu sich geladen hatte, dass er sein Genosse werde mit allen seinen Mannen. – Hildebrand sah Wittig im Strome und sprach: "Ich sehe einen Zwerg im Wasser, vielleicht ist es Alfrich, den Jungherr Dietrich schon einmal fing. Wir wollen ihn nochmals fangen; und sein Lösegeld soll kein geringeres sein als damals."
Aber Wittig hatte alles gehört, was sie sprachen und rief: "Gebt mir Frieden und lasst mich ans Land steigen, dann könnt ihr sehen, ob ich mein Haupt niedriger trage als ihr." Sie gewährten ihm das, und er sprang ans Ufer, neun Fuss in einem Schwung.
Als Hildebrand nach seinem Namen fragte, antwortete er: "Lasst mich erst meine Waffen nehmen, dann frage, was du fragen willst." Schnell legte er Kleider und Waffen wieder an, sprang auf seinen Hengst und ritt ihnen entgegen. Und nun sagte er seinen Namen und sein Geschlecht und dass er zum Kampfe mit Dietrich reite: "Und ehe ich heimfahre, muss erwiesen sein, wer von uns der Stärkere ist." Als Hildebrand sah, wie überaus gross und gewaltig Wittig war, zweifelte er, wer im Zweikampf obsiegen werde, und sann, wie er seinen Herrn Dietrich vor einer Niederlage beschirmen möge. Er lobte Wittigs Absicht und bot ihm Blutsbrüderschaft an. Er nannte sich auf Wittigs Befragen Boltram, und sie gelobten, einander beizustehen in allen Nöten. Darauf ritten sie zum Strom; Hildebrand wusste die Furt durch denselben. Sie zogen, bis sie an eine Wegscheide kamen. Da sprach Hildebrand: "Beide Wege führen nach Bern; der eine ist lang, der andre kurz, aber auf dem kurzen müssen wir über einen Strom und das können wir nur auf einer Steinbrücke; bei dieser liegt ein Kastell, das haben zwölf Räuber inne; der erste heisst Gramaleif, und auf der Brücke liegt ein Zoll, dort müssen wir Waffen und Rosse lassen und froh sein, kommen wir mit dem Leben davon. Schwerlich kommen wir hinüber; Herr Dietrich hat vergebens versucht, dies Kastell zu erstürmen. Reiten wir also den langen Weg." Doch Wittig rief: "Wir wollen den kürzern reiten." Und bald kamen sie an einen Wald, vor welchem das Kastell lag. Wittig bat seine Gefährten, zu warten; er ritt voraus, um zu versuchen, ob sie nicht ohne Schatzung über die Brücke kämen.
Oben vom Kastell herunter sahen die zwölf Räuber Wittig. Gramaleif sprach: "Dort reitet ein Mann her, der hat einen grossen Schild, den will ich haben, ihr mögt seine übrige Rüstung teilen." Nun teilten sie unter sich Wielands ganze Ausrüstung, aber schon für den neunten blieb nichts mehr übrig; da verlangte er Wittigs rechte Hand, der zehnte den rechten Fuss und der elfte wollte sein Haupt haben. Aber der zwölfte, Studfus, sprach: "Der Mann soll nicht erschlagen werden," und
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