Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
bis vor den König; dem Bannerträger schlug er die rechte Hand ab, die flog samt dem Banner zur Erde, mit einem zweiten Schlag gab er König Waldemar den Todesstreich. Da flohen die Russen und fielen unter den Gotenhieben wie Gras vor dem Schnitter.
Etzel hatte indes die Feste Pultusk belagert und mit Sturm genommen; Graf Iron, der die Burg verteidigte, musste sich gefangen geben mit allen seinen Kriegern. Auf Dietrichs Rat liess Etzel ihm nicht nur das Leben, sondern setzte ihn auch als Unterkönig über das Reich der Russen. Er musste Etzel Treue schwören, jährliche Schatzung zahlen und Heerdienst leisten.
3. Fasold und Dietleibs Fall.
Es war ein König Isung von Bertangaland, ein Freund Etzels, der hatte den Heunen stets Hilfe gegen die Wilkinen geleistet. Das zu rächen, unternahm Hertnit, König der Wilkinen, einen mörderischen Raubzug durch Isungs Gebiete. Sobald Isung davon Kunde bekam, sammelte er mit seinen starken Söhnen ein Heer und zog Hertnit nach. Fasold den Starken, Dietleib den Dänen und manchen andern Freund rief er durch rasche Boten zu Hilfe. Freudig folgten sie dem Rufe; vereint brachen sie mit ihren Scharen ins Wilkinenreich. Alle flohen vor ihnen; einige in Wälder, andre zu Schiff, einige auf öde Heiden und wieder andre zu König Hertnit, und riefen: "Isung mit seinen Söhnen ist in dein Land gekommen, mit ihm Fasold der Starke und Dietleib der Däne – ein Heer von fünftausend folgt ihnen!"
Sofort sammelte Hertnit seine Scharen und eilte in die Schlacht. Seine Gattin Ostacia aber war eine "Wale", d. i. zauberkundig. Sie ging in ödes Land und sammelte durch Zauber allerlei wilde Tiere um sich, darunter auch Drachen. Sie zähmte die Tiere und zwang sie sich zum Gehorsam. Sich selbst wandelte sie in einen Flugdrachen und zog so an der Spitze ihres Tierheeres auf die Walstatt, wo die Wilkinen schon zu erliegen bangten.
Greuliche Verwüstung richteten die Zaubertiere unter Isungs Heervolk an, wie viele auch der Ungetüme die Krieger erschlugen. Isung selbst fiel mit allen seinen Söhnen. Fasold hatte mit seiner starken Hand manches Hundert Wilkinen getroffen; er war wund und müde vom Kampfe. Da ritt König Hertnit gegen ihn und stach ihm den Speer mitten durch die Brust; tot sank Fasold vom Ross.
Dietleib, der Däne, hatte in wacker gestritten, dass der Leichenhaufe bis zum Sattel hoch um ihn lag. Seine Mannen waren meist erschlagen, er selber schwer wund. Da sah er Fasold fallen; er gab seinem Hengst den Sporn und rannte mit gesenktem Speere Hertnit an, durchstach ihm den Schild, die zwiefache Brünne und die Schulter an der Achselhöhlung. Der König stürzte vom Ross auf die Erde und über ihn sanken viele seiner Gefolgen unter Dietleibs Hieben – viele aber entflohen vor dem Dänen. Da flog ein grosser Drache mit klaffendem Rachen gegen den Helden. Dietleib stach dem Ungetüm mit dem Speer durch Rachen und Hals, doch der Drache umklammerte den Recken mit seinen Krallen und warf sich mit den Schwingen schlagend auf ihn. So fand Dietleib, der Däne, den Tod und unter ihm sein Ross.
Die Wilkinen gewannen den Sieg; wer nicht entrann, den erschlugen sie; ihren schwerverwundeten König aber hoben sie auf; geschickte Ärzte verbanden seine Wunde. Als er in seine Burg heimgekommen, fand er Ostacia siech und erkannte nun, woher ihm der Beistand des Zauberheeres gekommen war.
Ostacia starb nach drei Tagen, König Hertnit aber wurde wieder geheilt und vollbrachte noch viele Heldentaten.
IV. Dietrichs Zug gegen Ermenrich.
1. Rüstung und Auszug
König Dietrich lebte nun seit zwanzig Jahren im Heunenlande; sein Bruder Diether war, unter Helches Pflege, zu einem stattlichen Jüngling herangewachsen, durch innige Freundschaft den etwas jüngeren Söhnen Etzels, Erp und Ortwin [Fußnote: Scharpf und Ort heissen sie in dem Liede von der Rabenschlacht.] verbunden; die drei hatten aller Menschen Lob im Heunenland. Da geschah es einmal, dass Dietrich in Helches Halle trat, wo sie inmitten ihrer Frauen sass. Als sie ihn kommen sah, stand sie auf, liess eine Goldschale voll Wein füllen und reichte sie ihm selber: "Willkommen, guter Freund," sprach sie dazu. "Setze dich her und trinke mit mir. Von wo kommst du? Hast du ein Begehr? Oder kannst du mir eine neue Mär sagen?"
"Frau Königin," antwortete er harmvoll, "ich komme aus meiner Burg. Keine neue Mär dann ich dir sagen aber eine grosse, die dir lange bekannt ist; ich gedenke, wie ich aus meinem Reich entfliehen musste, und bei Etzel Schutz
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