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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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wohltätigen Wechsels der Jahreszeiten vorhergeht. Da stöbert Schnee von allen Seiten, der Frost ist gross, die Winde sind scharf, es kommt "der grosse, schreckliche Winter" ("Fimbul-Winter"), der drei Jahre, ohne Unterbrechung durch einen Frühling, währt; denn "die Sonne hat ihre Kraft verloren".
    Und zuvor schon kam die äusserste Verwilderung der Sitten [Fußnote: Müllenhoff, S. 141, will den Weltuntergang nur als Folge der sittlichen Verwilderung, nicht auch der Auflösung der Naturordnung eintreten lassen.] durch drei Jahre eines furchtbaren Krieges, in dem sogar der unverbrüchliche Friede der Sippe, des blutsverwandten Geschlechts, germanischer Auffassung das heiligste Band, nicht mehr geachtet wird: "Da werden sich Brüder aus Habgier ums Leben bringen und der Sohn des Vaters, der Vater des Sohnes nicht schonen; Brüder werden sich schlagen und einander zu Tötern werden; es werden Schwesterkinder die Sippe brechen [Fußnote: Wobei zunächst an Ehe in verbotenen Graden gedacht ist.] ; arg ist es in der Welt [Fußnote: "Beialter, Schwertalter, wann Schilde klaffen; Windzeit, Wolfszeit, ehe die Welt zerstürzt" (ein beanstandeter Zusatz).] ; grosser Ehebruch! Es wird kein Mensch des andern schonen".
    "Da geschieht, was die schrecklichste Kunde dünken wird, dass der Wolf die Sonne verschlingt, den Menschen zu schwerem Unheil; der andre Wolf wird den Mond [Fußnote: Die Mutter dieser Wölfe war die (unbenannte) "alte Riesin im Eisenwalde"; sie gebar da Fenris-Gezücht, die Wölfe Hati und Sköll, welche der Sonne vorauseilen und ihr folgen, der Vater ist der Fenris-Wolf selbst; der Mond-Wolf war wohl Hati; doch hat man später einen besondern Mond-Wolf, Mâna-garm, aufgestellt (nach andern ist jene Riesin Angurboda und der Vater auch dieser Wölfe Loki).] einholen und ergreifen und so auch grossen Schaden tun. Und die Sterne werden fallen vom Himmel.
    Da wird auch geschehen, dass die Erde bebt und alle Berge; entwurzelt werden die Bäume, alle Ketten und Bande reissen und brechen; da wird der Fenriswolf los [Fußnote: Man hat nicht nötig, zur Erklärung dafür, dass nun erst jene Wölfe Sonne und Mond einholen und verschlingen mögen und der Fenriswolf sich losreissen kann, anzunehmen, dass der Mondwolf sich von dem Mark der im letzten Bruderkrieg gefällten Männer gemästet habe, und braucht nicht die Angabe, dass Tyr den Fenriswolf füttere, so zu deuten, dass dieser Verderber durch den Frass im Krieg Erschlagener so mächtig werde; Tyr füttert den Wolf nicht absichtlich so stark, dass er loskommen kann; keineswegs darf man Tyr deshalb als den Riesen befreundet auffassen; dass er den Menschen "nicht als ein Friedensstifter" gilt, versteht sich doch bei dem Kriegsgott von selbst.] ; alsbald auch Loki, der ja das Erdbeben durch das Reissen an seinen Banden herbeiführt.
    Und das Meer überflutet das Land, weil auch die Midgardschlange, lange verschüchtert und verwundet, wieder "Riesenmut annimmt und das Land sucht"; sie windet sich im Riesenzorne; der Wurm drängt die Wogen (über die Küsten); zugleich schreit der Adler (Hräswelgr), der, fahlen Schnabels, die Leichen zerreisst; da kommt Naglfar, das Schiff, los ("wird flott")."
    Denn als Ausdruck zugleich der unendlichen Ferne der Zeit, in welche dieses Unheil gerückt steht, und als Gradmesser der äussersten sittlichen Verderbnis, an deren Höhepunkt jenes Gericht geknüpft erscheint, dient die Sage von dem Schiff Naglfar.
    Dieses Schiff baut sich aus den Nägeln der Toten, welche man diesen unbeschnitten an Händen und Füssen lässt. Und erst dann, wann dieses Schiff fertig und flott geworden, so dass es den Reif-Riesen Hrymr, der es nun steuert, und dessen gesamte Heerschar aufnehmen und zum Kampfe gegen die Götter heranführen kann; – erst dann bricht die Götterdämmerung herein.
    Die fromme, scheuevolle Pflege und Bestattung der Leichen ist nämlich hohe sittliche und religiöse Pflicht [Fußnote: Diese Verpflichtung schärft die Edda (Sigurdrifa 33, 34), allen Menschen ein; "Das rat’ ich dir neuntens; nimm des toten dich an, wo im Feld du ihn findest, sei er siech-tot oder see-tot oder durch den Stahl gestorben. Ein Hügel hebe sich dem Heimgegangenen, gewaschen seien Haupt und Hand; zur Kammer komme er gekämmt und trocken und bitte du, dass er selig schlafe."] germanischen Heidentums; – dann also ist das höchste Mass sittlichen Verderbens gefüllt, wann die Ruchlosigkeit der Menschen so massenhaft die heiligste Liebespflicht

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