Walisischer Sommer
über vor Liebe und Sehnsucht. Sekundenlang gab sie sich sogar der Illusion hin, er wolle sie um Verzeihung bitten.
„Du hast die Schnürsenkel nicht fest genug zugebunden”, stellte er schließlich fest.
Er prüft nur, ob ich die Schuhe richtig angezogen habe, dachte sie. Sie lachte hysterisch, aber auch spöttisch auf, als sie sich bewußt wurde, wie weit ihr Wunschdenken von der Wirklichkeit entfernt war.
„Du darfst die Enden nicht einfach lose herumhängen lassen”, fuhr er fort und zeigte ihr, wie sie es machen sollte. „Du könntest darüber stolpern.”
„Danke.” Ihre Stimme klang so scharf und gereizt, daß Daniel überrascht aufblickte, was Christa jedoch einfach ignorierte.
Warum nimmt er seine verdammten Hände nicht von meinem Fuß? Wenn er mich weiterhin in dieser lächerlichen, theatralischen und pseudo-liebevollen Pose festhält und mit dem Daumen meinen Knöchel streichelt, als müßte er mich unbedingt berühren, dann sage ich ihm klar und deutlich, was ich von ihm halte, überlegte sie. Doch dann konnte sie gerade noch ein leichtes Aufstöhnen unterdrücken, denn ihr Körper reagierte sogleich wieder auf Daniels Berührung. Christa erbebte und zog den Fuß unvermittelt zurück, damit Daniel nicht bemerkte, wie es um sie stand.
Als sie dann auf dem Weg in die Berge die Farm hinter sich ließen, wollte Christa nicht mehr darüber nachdenken, wie es hätte sein können, wenn Daniels Nachbar sie nicht gestört hätte. Dennoch fragte sie sich immer wieder, ob sie dann vielleicht jetzt noch zusammen im Bett liegen würden, eng umschlungen und innig vereint.
„Geht es dir wirklich gut?” Daniel drehte sich zu ihr um und wartete darauf, daß sie ihn einholte. „Eben warst du ganz blaß, und jetzt siehst du total erhitzt aus.”
„Ich bin völlig okay”, entgegnete sie nur wieder.
Auf den ersten Blick wirkte der Pfad, den Daniel an einem der niedrigeren Berghänge einschlug, auf Christa völlig harmlos. Die Beine sagten ihr allerdings etwas ganz anderes. Sie war zwar keine Fitnessfanatikerin, ging jedoch regelmäßig spazieren. Aber das ließ sich mit dem, was sie jetzt leisten mußte, überhaupt nicht vergleichen. Die Beine taten ihr weh, und auch das Atmen fiel ihr schwerer, deshalb antwortete sie auf Daniels leichte Konversation nur sehr einsilbig.
Es war erst elf, und sie waren noch nicht länger als zwei Stunden unterwegs, wie sie mit einem verstohlenen Blick auf die Armbanduhr feststellte. Daniel hatte erwähnt, sie würden um halb eins eine Picknickpause einlegen und anschließend den Rückweg antreten.
„Du hältst dich gut”, lobte Daniel sie freundlich. „Die meisten Kursteilnehmer fühlen sich an diesem Punkt schon ziemlich überfordert.”
Ach, wirklich? dachte Christa und biß die Zähne zusammen. Tapfer ignorierte sie die schmerzenden Wadenmuskeln.
„Wenn du dich ausruhen möchtest – einige Meter weiter ist ein idealer Rastplatz. Von dort aus hat man einen schönen Blick auf die Farm und …”
„Nein, nicht nötig. Ich möchte das ganze Theater so schnell wie möglich hinter mich bringen”, erwiderte sie bissig.
Dann biß sie sich ärgerlich auf die Lippe, denn Daniel blieb vor ihr stehen und ließ sie nicht weitergehen.
„Also, irgend etwas ist hier nicht in Ordnung”, meinte er ruhig. „Streite es bitte nicht wieder ab. Wenn es wegen gestern abend ist …”
„Wenn!” Nun konnte Christa sich nicht länger beherrschen. „Natürlich ist es das! Wie kannst du überhaupt daran zweifeln?” fuhr sie ihn wütend an. „Wie …”
„Ich verstehe dich ja. Ich war doch selbst enttäuscht”, unterbrach er sie.
„Enttäuscht?” wiederholte sie ungläubig. „Du liebe Zeit, deine Arroganz ist nicht zu übertreffen.” Sie lachte bitter auf. „Weshalb bist du denn enttäuscht, Daniel? Weil du nicht mit mir ins Bett konntest, was für mich eine wunderschöne Erfahrung geworden wäre? Vielleicht wäre es das sogar, aber bestimmt nicht einmalig und überragend, jedenfalls nicht für mich. Und bestimmt auch nicht für all die anderen törichten Frauen, die du vor mir verführt und in dein Bett gelockt hast.”
„Christa, was ist mit dir los?” Seine Stimme klang schockiert, und Christa bemerkte den Schmerz in seinem Blick.
„Das Spiel ist aus, Daniel”, warnte sie ihn. „Du brauchst mich nicht mehr länger zu belügen, nachdem Dai die Wahrheit über dich preisgegeben hat”, sagte sie sarkastisch.
„Christa, hör mir bitte zu”, wandte er ein.
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