Walking Disaster
kippte ich auf einmal, stellte das Glas in die Spüle und drehte mich um. Shepley stand grinsend in der Tür seines Zimmers.
»So fängt es an.«
»An dem Tag, als du im Stammbaum unserer Familie aufgetaucht bist, wollte ich ihn fällen.«
Shepley lachte nur kurz auf und schloss seine Tür.
Ich tappte zurück in mein Bett und war sauer, weil mir die Argumente fehlten.
Die Vormittagskurse dauerten ewig, und ich ärgerte mich ein bisschen über mich selbst, weil ich regelrecht in die Cafeteria gerannt war. Dabei wusste ich nicht mal, ob Abby dort sein würde.
Doch das war sie.
Brazil saß ihr direkt gegenüber und plauderte mit Shepley. Ich musste grinsen und seufzen – einerseits vor Erleichterung, andererseits, weil ich offenbar zu spät gekommen war.
Die Dame hinter der Theke klatschte mir irgendwas auf den Teller, dann ging ich mit dem Tablett an den Tisch und blieb genau gegenüber von Abby stehen.
»Du sitzt auf meinem Platz, Brazil.«
»Ach, ist sie eins von deinen Mädels, Trav?«
Abby schüttelte den Kopf. »Sicher nicht.«
Ich wartete, und schließlich gab Brazil nach. Er trug sein Tablett zu einem leeren Stuhl am Ende des langen Tisches.
»Was ist los, Täubchen?«, fragte ich, gefasst auf eine giftige Bemerkung. Doch zu meiner großen Überraschung schien sie nicht im Geringsten verärgert.
»Was ist das denn?« Sie starrte auf mein Tablett.
Ich schaute auf die dampfende Masse. Sie machte also lockere Konversation. Noch ein gutes Zeichen. »Die Buffetdamen machen mir Angst. Ich würde es nie wagen, ihre Kochkünste zu kritisieren.«
Abby sah mir zu, wie ich mit meiner Gabel nach etwas Essbarem stocherte, und dann schien sie vom Gemurmel der anderen abgelenkt. Garantiert war es meinen Kommilitonen neu, dass ich so ein Theater machte, um gegenüber von jemandem zu sitzen. Ich hätte nicht einmal selbst zu sagen gewusst, warum ich das tat.
»Bäh … diese Bioarbeit steht nach dem Mittagessen an«, stöhnte America.
»Hast du gelernt?«, fragte Abby.
America verzog das Gesicht. »Mein Gott, nein. Ich habe den Abend damit verbracht, meinen Freund davon zu überzeugen, dass du nicht mit Travis schlafen wirst.«
Shepley machte bei der Erwähnung der abendlichen Diskussion sofort ein beleidigtes Gesicht.
Die Footballspieler am Tischende verstummten, um mitzuhören, und Abby versank in ihrem Stuhl, nachdem sie America noch böse angefunkelt hatte.
Sie genierte sich. Warum auch immer machte jegliche Aufmerksamkeit sie offenbar verlegen.
America ignorierte Abby und stupste Shepley mit der Schulter an, doch dessen Miene hellte sich nicht auf.
»Meine Güte, Shep. Echt so schlimm?« Ich warf ein Ketchuptütchen nach ihm, um ihn wieder aufzumuntern. Die anderen Studenten reckten die Hälse und musterten jetzt America und Shepley.
Mein Cousin reagierte zwar nicht, aber Abbys graue Augen schielten kurz zu mir hinüber, und ich registrierte ein kleines Lächeln. Heute war anscheinend mein Tag. Sie konnte mich nicht hassen, selbst wenn sie es versuchte. Ich wusste gar nicht, worüber ich mir solche Sorgen machte. Ich wollte sie gar nicht daten oder so. Sie erschien mir nur wie das perfekte platonische Experiment. Im Prinzip war sie ein braves – wenn auch leicht aufbrausendes – Mädchen, und ihr lag nicht das Geringste daran, dass ich ihren Fünfjahresplan durcheinanderbrachte. Falls sie überhaupt einen hatte.
America strich Shepley über den Rücken. »Er wird es schon schaffen. Aber er braucht einfach noch ein Weilchen, bis er wirklich glaubt, dass Abby deinem Charme widerstehen kann.«
»Ich habe meinen Charme gar nicht spielen lassen«, sagte ich. America versenkte mein Schlachtschiff, während ich einfach nur in der Sache vorankam. »Sie ist einfach eine Freundin.«
Abby nahm Shepley ins Visier. »Das hab ich dir doch gesagt. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen.«
Shepley fing Abbys Blick auf und schaute schon sanfter drein. Krise abgewendet. Abby hatte den Tag gerettet.
Ich wartete eine Minute und suchte nach einem Thema. Am liebsten hätte ich Abby gebeten, später bei mir vorbeizukommen, aber nach Americas eindeutiger Bemerkung wäre die Aktion sicher schiefgegangen. Da kam mir eine brillante Idee, und ich zögerte nicht, sie umzusetzen. »Hast du gelernt?«
Abbys Gesicht verdüsterte sich. »Für Biologie kann ich lernen, so viel ich will. Ich krieg das einfach nicht in meinen Kopf.«
Ich stand auf und deutete mit dem Kopf zur Tür. »Dann komm.«
»Wie?«
»Lass uns
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