Walküre
Platz zu nehmen.
»Okay«, sagte er. »Wie ist der Stand?«
»Ich habe mit Viola Dahlkes Mann gesprochen«, berichtete Werner. »Es war schwierig. Netter Kerl, gewöhnliche Familie. Hatte keine Ahnung, dass seine Frau ein geheimes Leben führt.«
»Ich hoffe, du hast ihn nicht über die Einzelheiten dieses Lebens aufgeklärt?«
Werner runzelte die Stirn. »Das darfst du mir schon zutrauen. Aber sie ist ihm einige Erklärungen schuldig. Jedenfalls bestätigt ihr Mann, dass sie am Abend von Westlands Ermordung zu Hause war. Damit können wir sie wohl entlassen.«
»Ein vom Ehegatten geliefertes Alibi reicht, für sich genommen, noch nicht«, erklärte Fabel. »Aber wir haben nicht genug in der Hand, um ihre Haft zu verlängern. Außerdem bin ich überzeugt, dass die beiden St.-Pauli-Morde von derselben Person verübt wurden, und wir wissen mit Sicherheit, dass Viola Dahlke den zweiten nicht begangen haben kann.«
»Ich habe alle Taxifahrer überprüft, die in der Nacht von Lenschs Ermordung in St. Pauli gearbeitet haben. Drei davon waren Frauen. Keine nahm ihn mit oder erinnert sich, ihn an einem Taxistand oder beim Anhalten eines Taxis bemerkt zu haben. Also dürfte unsere Täterin die Frau in dem Mercedes gewesen sein.«
»Man könnte glauben, sie hätte es auf Lensch oder jemanden wie ihn abgesehen gehabt«, sagte Fabel.
»Aber das ergibt keinen Sinn«, meinte Anna. »Ihre Wahl der Opfer ist bis jetzt ganz unterschiedlich. Westland war eine Berühmtheit, Ausländer und in den Fünfzigern. Lensch war ein Niemand, ein deutscher Staatsbürger und neunundzwanzig Jahre alt. Ihre einzigen Gemeinsamkeiten dürften gewesen sein, dass beide Männer waren und sich zufällig auf dem Kiez aufhielten.«
»Vielleicht genügte ihr das schon. Aber die Sache mit dem Taxi ist sonderbar. Kaum jemand, der nicht im Taxigeschäft ist, besitzt ein Auto in dieser Farbe, schon gar nicht einen Mercedes der E-Klasse. Dies ist eine sehr gezielt vorgehende Mörderin. Warum macht sie sich all die Mühe, um dann ein beliebiges Opfer auszusuchen?« Fabel schüttelte den Kopf. »Was ist mit den CCTVs – irgendein Ergebnis?«
»Bis jetzt nicht. Ich habe den knackigen Schutzpolizisten von der Davidwache beauftragt, alles durchzusehen.«
»Warum?«, fragte Fabel. »Solltest du dich nicht selbst darum kümmern?«
»Wirklich, ich drücke mich nicht. Aber Wangler arbeitet schon seit vier Jahren in dem Revier. Er kennt jeden Zentimeter davon und weiß genau, wo jede Kamera ist. Der Mercedes muss irgendwo beim Herein- oder Hinausfahren gefilmt worden sein. Wenn jemand das rasch feststellen kann, dann ist es Wangler.«
»Schon gut.« Fabel hob abwehrend die Hände. »Hast du Jürgen Mann überprüft?« Er sprach von dem Zeugen, der sich an Carsten Kaminski gewandt hatte.
»Mhm«, machte Anna. »Nichts Besonderes. Eine Vorstrafe wegen Marihuanabesitzes – sonst nichts. Anscheinend sterben Männer wie er langsam aus.«
»Was meinst du damit?«
»Laut Wangler ...«
»Deinem neuen besten Kumpel«, unterbrach Werner.
»Schön wär's ... Also, laut Wangler gibt es heutzutage auf dem Kiez immer weniger Ekelpakete wie Mann. Bei all den Kameras auf der Reeperbahn – selbst wenn sie strategisch angebracht sind – will heutzutage niemand dabei gefilmt werden, wie er einen Puff betritt oder aus ihm herauskommt. Stattdessen gibt es immer mehr Callgirls und Hostessenagenturen. Wangler meint, dass Straßenmädchen auf dem Kiez im Gegensatz zu früher kaum noch Kunden finden. Außerdem erfolgt ein ständiger Nachschub von eingeschmuggelten Frauen ins unregulierte Prostitutionsgeschäft in anderen Stadtteilen.«
»Meistens gegen ihren Willen«, warf Fabel ein.
»Vielleicht. Aber ein Mistkerl, der für Sex bezahlt«, sagte Anna, »wird sich wohl kaum den Kopf darüber zerbrechen, ob das Hühnchen frei laufend ist oder aus der Massenzucht stammt, wenn ihr wisst, was ich meine. Jedenfalls sind weniger Freier auf der Straße. Der Kiez ist eher voll von Leuten wie Armin Lensch, die sich besaufen und Streit vom Zaun brechen. Wenn ihr mich fragt, war Mann ehrlich. Er hat tatsächlich geglaubt, dem Engel gegenübergestanden zu haben. Aber wir haben wieder kein CCTV, das seine Behauptung bestätigt.«
»In Ordnung ...« Fabel schwieg ein paar Sekunden lang und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Hört mal, wir haben eine Besucherin. Eine Kollegin aus Dänemark. Ich habe sie gebeten, heute Nachmittag ins Präsidium zu kommen. Und ich möchte, dass du
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