Walkueren
untersuchten Freyjas Wohnung. Sie trugen weiße Overalls und hatten Plastikbänder vor die Türen gespannt, damit niemand ungebeten hineinkommen konnte.
Guðrún war erleichtert, dass Theódór sie nicht darauf ansprach, was sie am Morgen allein hier zu suchen gehabt hatte, sondern sie nur nach ihrem Befinden fragte und die perfekt verarztete Wunde an ihrer Stirn bewunderte.
»Ich hab ja immer gesagt, dass du einen Dickkopf hast«, sagte er. »Du bist eine echte Powerfrau.«
»Soll ich euch helfen?«
»Nein«, antwortete Theódór. »Víkingur und Randver haben heute Morgen bei der Besprechung bekannt gegeben, du seiest zeitweilig von der Technischen Abteilung freigestellt, um dich um die Ermittlung des Todes der Frau, die hier gewohnt hat, zu kümmern. Seit heute wird das wohl als Mordfall angesehen, und dann kam heute Morgen noch Körperverletzung oder vielleicht sogar ein Mordversuch hinzu.«
»Was sagst du da?«, fragte Guðrún. »Körperverletzung und Mordversuch?« Im selben Moment, als sie die Frage gestellt hatte, wurde ihr klar, dass Theódór von ihrem eigenen Zwischenfall am Morgen sprach.
»Ach so, das meinst du«, sagte sie. »Ich glaube, der Angreifer wollte sich nur ungesehen davonmachen. Hast du schon eine Ahnung, wonach er gesucht hat?«
»Schwer zu sagen«, entgegnete Theódór. »Wer aufs Geratewohl einbricht und nach leicht verkäuflichen Wertgegenständen sucht, beginnt meistens im Wohnzimmer. Dieser Einbrecher hat im Arbeitszimmer angefangen. Soweit ich weiß, stand da kein Computer, aber es gibt ein Modem oder einen Router oder wie dieses Gerät für drahtlosen Empfang heißt. Ich weiß nicht, wie viel so was kostet, aber er hat es jedenfalls dagelassen. Überall sind Unterlagen und CDs verstreut; vielleicht hat er davon was mitgenommen. Anschließend hat er das Schlafzimmer durchsucht. Erla verdunkelt gerade die Fenster, und dann werden wir mal schauen, ob wir mit diesen neuen Geräten irgendwelche Fußspuren finden.«
»Ja, heute Morgen war es nass draußen, man müsste Abdrücke der Sohlen sehen können«, sagte Guðrún. Zu ihrer großen Verwunderung war sie auf Erla, die von Theódór unterwiesen und angeleitet wurde, eifersüchtig.
»Jón und Marinó klingeln gerade an allen Wohnungstüren«, erzählte Theódór weiter. »Wie die Zeugen Jehovas. Es ist unglaublich, wie wenig die Leute über ihre Nachbarn wissen. Die Frau, die eine Etage höher wohnt, wusste noch nicht mal, dass Freyja hier gelebt hat. Obwohl ihre Schlafzimmer nur ein paar Zentimeter auseinanderliegen; nur eine Zimmerdecke hat sie voneinander getrennt. Früher auf dem Land kannte jeder jeden, selbst wenn die Höfe weit voneinander entfernt waren und nur im äußersten Notfall das Telefon benutzt wurde.«
»Die Zeiten ändern sich eben«, sagte Guðrún, die froh gewesen war, aus dem Dorf, in dem sie aufgewachsen war, nach Reykjavík ziehen zu können.
»Ja, es nimmt wohl alles seinen Lauf«, sagte Theódór. »Als ich eben auf der Eingangstreppe stand, hab ich gesehen, wie sich in einem Fenster in dem Wohnblock gegenüber jemand bewegt hat. Das war das einzige Lebenszeichen, das ich entdecken konnte. In der letzten Wohnung im zweiten Stock. Der Balkon und ein großes Fenster zeigen in unsere Richtung, wahrscheinlich das Wohnzimmerfenster, falls die Wohnung dieser hier ähnelt.«
»Hast du das Marinó oder Jón erzählt?«, fragte Guðrún.
»Die kümmern sich doch nicht um Hinweise aus der Technischen Abteilung«, antwortete Theódór. »Das sind erfahrene Männer, die ihren Job beherrschen.«
Die Haustür öffnete sich nicht gleich. Stattdessen ertönte eine Stimme in der Gegensprechanlage und fragte, wer da sei.
»Guðrún Hallsdóttir von der Kriminalpolizei.«
»Wer sagt mir denn, dass das stimmt?«, fragte die Stimme; eine Frau, bestimmt schon etwas betagter.
»Wenn du mich reinlässt, zeige ich dir meinen Ausweis.«
»Wie kann ich dich denn wohl reinlassen, wenn ich den Ausweis noch gar nicht gesehen habe?«, fragte die Stimme.
Terje konnte sich nicht zurückhalten und lachte laut auf.
»Eine Zwickmühle«, sagte er.
»Hast du einen Mann dabei?«
»Terje Joensen, ich bin auch von der Kripo«, erklärte Terje. »Bitte sei so freundlich und öffne die Tür.«
»Was wollt ihr?«
»Wir möchten nur kurz mit dir sprechen«, sagte Guðrún.
»Mit der Polizei habe ich nichts mehr zu schaffen«, sagte die Stimme. »Vor über zwanzig Jahren habe ich die Polizei mal gerufen, das war an Silvester,
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