Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wall Street Blues

Wall Street Blues

Titel: Wall Street Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
Vom Netzwerk:
auf die Glastreppe zu. »Ich möchte nur schnell Zwischenstation...« Die eigentlichen Nachtmenschen fanden sich allmählich ein, und der hypnotische, hämmernde Beat der Musik war zu hören und lockte sie zurück. Es war, als wären sie mitten in ein Stammesritual geraten. »... bei der Damentoilette machen.« Sie verstaute das Streichholzheft sicher in ihrem Täschchen.
    »Kein Problem«, sagte Carlos. »Sie ist sowieso einen Besuch wert... Warte, bis du sie gesehen hast. Komm mit.«
    Carlos nahm sie an der Hand und führte sie wieder in die Galerie mit der endlosen Bar. Sie schoben sich durch die ausgelassene Menge. Am Ende der Bar — sie hatte also doch ein Ende — führte eine Tür in einen kleinen Salon, der mit Leuchtfarben in Pink- und Blautönen mit Wellenlinien ausgemalt war. Das Licht war gedämpft. In dem Salon befanden sich drei Türen aus geriffeltem Glas. Auf einer stand HERREN, auf einer DAMEN und auf der dritten PRIVATER CLUB. NUR FÜR MITGLIEDER.
    »Das ist der Eingang zum Fitneßcenter oben«, erklärte Carlos.
    »Woher weißt du denn das?«
    »Ach, ich habe meine Quellen. Nicht jeder in einem dreiteiligen Straßenanzug ist hetero, weißt du«, sagte er gedehnt.
    »Also, Carlos, du bist ganz schön durchtrieben. Ich wußte gar nicht, daß Anzüge dich anmachen.«
    »Nie der Anzug«, sagte er, indem er die Schultern verdrehte und den Kopf wendete, »immer der Mann.«
    »Okay, Mann.« Sie berührte seine Wange. Sie betrachtete die Tür, die mit PRIVATER CLUB, NUR FÜR MITGLIEDER bezeichnet war. Anders als die beiden anderen Türen hatte diese keinen Griff, sondern nur einen schmalen Schlitz an der Stelle, an der man den Griff erwartete. Es war ein waagerechtes Schloß, das nur mit einer besonderen Magnetkarte geöffnet werden konnte. »Quatsch«, sagte sie.
    »Was >Quatsch    »Ich dachte gerade, daß möglicherweise der geheimnisvolle Schlüssel zu dieser Tür passen könnte.«
    »Denk noch mal nach. Das war einer von Georgies besonderen Zügen. Steigert das Prestige. Man kommt nur mit einer besonderen Karte hinein, einer Magnetkarte, die für diese Tür programmiert ist, wie bei einer Bankkarte. Einen Schlüssel könnte jeder haben...«
    »Georgie, ja«, dachte sie laut.
    »Was ist mit Georgie?«
    »Sein Mord muß etwas mit Barrys zu tun haben. Vielleicht ging es um das Zeug, das Barry für ihn aufbewahrte?«
    »Wer weiß? Georgie hatte seine Feinde — vielleicht hat es überhaupt nicht mit Barry dem Ganoven zu tun.«
    »Das glaube ich nicht. Gehen wir«, sagte sie abrupt und zog ihn zur Tür.
    »Ich dachte, du wolltest die Toilette benutzen?«
    »Ich kann bis zu Hause warten.«

D as Licht aus den hellorangen Glaskugeln des Mueller-Freres-Leuchters in der Diele erfüllte ihre Wohnung mit einer warmen Glut. Es spielte weich über die gebrochen weißen Wände, hob die alte Kinderdecke mit den »Gänsen im Flug«, die gerahmt an der rechten Wand hing, hervor und ergoß sich über den abgetretenen Perserteppich, einst rostbraun, jetzt verblichen, von undefinierbarer Herkunft.
    »Ich liebe deine Wohnung, besonders nachts«, sagte Carlos. »Sie ist wie ein Kokon.«
    »Sie ist mein sicherer Hafen, und ich hätte sie nicht, wenn ich nicht normal geworden wäre«, sagte Wetzon und legte Tasche und Mantel auf die kleine weiße Parkbank. »Also.«
    »Ich weiß, ich weiß.« Carlos warf die Hände in die Luft. »Ich gebe auf.«
    »Kaffee?« fragte sie.
    »Hm, was hältst du von einem großen Perrier und einer Limonenscheibe«, sagte Carlos, der seine Schuhe ausgezogen hatte und es sich mit hochgezogenen Füßen auf dem Sofa bequem machte.
    »Ich habe keine Limonen.«
    »Doch du hast, Schatz, sieh im Gemüsefach nach.«
    Sie brachte zwei Gläser Perrier, stellte sie auf den Couchtisch und setzte sich ihm gegenüber auf den Boden.
    »Du bist schrecklich, weißt du«, begann sie. »Du verwöhnst mich.« Ihre Stimme schnappte plötzlich über. »Mein Gott, was ist denn mit mir los? Ich fange an zu heulen.« Sie sah, wie Carlos sich besorgt aufsetzte, sah ihn um den Couchtisch herumkommen, eine verschwommene Gestalt durch die Tränen. »Entschuldige, ich bin so ein Idiot. Du bist mein Freund und meine Familie. Was würde ich ohne dich anfangen?« Er legte seinen Arm um sie und küßte sie auf die Stirn. »Und ich liebe dich sehr, weißt du«, sagte sie.
    »Ich weiß. Und ich liebe dich«, sagte er. »Und es wird alles gut. Ehrlich. Keine Sorge. Du wirst sehen. Hier.« Er reichte ihr ein schwarzes seidenes

Weitere Kostenlose Bücher