Wall Street Blues
wunderschön, wunderschön.
Während sie tanzten, bog sie den Kopf zurück, um die phantastische Simulation eines Feuerwerks an der sich drehenden Decke zu betrachten, das sich wie ein Kaleidoskop schnell veränderte, und dann sah sie, wie ein Stück Decke sich in Bewegung setzte und ihr entgegenkam. Sie schaute sich um. Niemand schien in Panik zu geraten, sie begannen nur alle Platz zu machen, langsam, im Rhythmus der Musik, als wartete man darauf, und dann kam ein Gruppenbild — unglaublich, ein richtiges Gruppenbild, das aussah wie eine asiatische Eliza und die kleine Eva, die über das Eis geht, aus Onkel Toms Hütte — herunter und blieb auf dem Tanzboden stehen. Die Szene erinnerte an die Pantomimen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Onkel Toms Hütte als Der König und ich,. Sein Schöpfer war ganz sicher Tänzer oder Choreograph. Es gab Applaus und Gelächter, als Topsy und Eva aus dem Bühnenbild sprangen und sofort als Tanzpartner aufgefordert wurden. Das Gruppenbild schwebte wieder zur Decke hoch und verschwand in dem wirbelnden Feuerwerk, und der Beat ging weiter, mit Wetzon und Carlos und dem Rest, der sich durch die glitzernde, vielfarbige Licht-Show und die von Rauch, Hektik und Parfüm geschwängerte Luft improvisierend drehten und schlängelten.
»Ist das nicht der phantastischste Ort der Welt?« schrie Carlos. »Sieh nur, was dir entgangen ist.« Er machte einen seligen Eindruck.
Luftschlangen in Leuchtfarben flatterten von oben herab. Der Rhythmus wechselte, wurde schneller. Leslie Wetzon elektrisiert, lebendig, wie sie sich lange nicht mehr gefühlt hatte. Hatte sie in den Jahren, seit sie dem Theater den Rücken gekehrt hatte, als Schlafwandlerin gelebt? Darüber würde sie nachdenken müssen.
»Lieber Carlos, du hast recht, du schöner Mann«, sagte sie, indem sie ihn an sich drückte und ihre Körper sich mit der Musik bewegten.
Später, viel später, unten in der Galerie, die, beginnend unter der Glastreppe, durch das ganze Gebäude zu laufen schien, saßen sie an der längsten Bar, die sie je gesehen hatte, und tranken Champagner mit frischen Pfirsichen, in ihren Gläsern zerdrückt — Bellinis, Hemingways Drink. Oben übertönte die Musik alles, aber hier konnte man reden und gehört werden.
Sie lehnte sich an Carlos und gab ihm einen dicken Kuß auf jede Wange. Ihre überraschende Bewegung hätte beide beinahe von den hohen Hockern geworfen. Sie lachte unbekümmert. sie war immer noch nicht ganz auf den Boden zurückgekehrt. Ihr Herz klopfte noch, und ihr Körper reagierte noch auf die Musik.
»Du siehst zehn Jahre jünger aus«, sagte Carlos. »Komm nach Hause. Marshall sagte, er würde etwas für dich finden. Wir könnten spielen.«
Sie legte zwei Finger auf seine Lippen, damit er schwieg. »Pst«, sagte sie. »Du verdirbst es.«
»Nein?«
»Nein. Ich bin nicht Annette Funicello, und du bist nicht Frankie Avalon. Und jetzt muß ich dich leider davon in Kenntnis setzen, daß sich soeben, während wir noch sprechen, meine Kutsche in einen Kürbis verwandelt.«
»Du weißt, was ich meine?« äffte Carlos sie nach. »Na schön, Spielverderber. Warte hier, ich gehe zahlen.«
Sie drehte sich auf dem hohen Hocker zur Bar um und sah ihr Spiegelbild im Rauchglas des langen verzierten Spiegels dahinter. Ihr Haar hatte sich gelöst und fiel auf ihre Schultern. Sie sah glücklich und jung aus. Wenn nur Silvestri sie so sehen könnte.
Laß den Quatsch, schalt sie sich grimmig. Sie trommelte mit den Fingern, schlug den Takt, summte vor sich hin.
In Gedanken nahm sie das Streichholzheft aus dem Aschenbecher auf der Theke und dachte darüber nach, wie es wäre, sich von Silvestri lieben zu lassen. Himmel, dieser Ort hatte eine verrückte Wirkung auf sie. Sie blickte geistesabwesend auf das Streichholzheft in ihrer Hand, sah den Umriß der Palme und fühlte ihr Herz stocken.
Déjà vu. Sie hatte das schon früher getan, das früher gesehen. Irgendwo, irgendwann. Wichtig.
Sie sah Carlos zurückkommen, rutschte vom Hocker und ging ihm entgegen, das Streichholzheft fest umklammert.
»Was ist denn los?« fragte er. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
»Das habe ich, glaube ich«, sagte sie. »Ich habe mir gerade etwas überlegt.«
»Was?«
»Komm mit zu mir, und ich zeige es dir. Geht das?«
»Mein Schatz, das ist die schönste Einladung, die ich seit Monaten hatte.«
»Dann komm, Spinner«, sagte sie zärtlich und schob ihn an einem Paar in Flitter vorbei und
Weitere Kostenlose Bücher