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Wall Street Blues

Wall Street Blues

Titel: Wall Street Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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er einen Faustkampf hinter sich, als wir uns heute abend trafen.«
    »Wenn ja, warum haben sie dann nicht die Kassette und den Recorder bekommen?«
    Wetzon ließ das Band zurücklaufen und legte den Recorder auf den Teppich neben das Gucci-Adreßbuch. »Ich weiß nicht, aber es ist ziemlich klein. Er hätte es in der Innentasche seines Jacketts haben können. Oder vielleicht hatte er es gar nicht dabei, und sie haben ihn deshalb zusammengeschlagen.«
    »Was meinst du, was er herausgekriegt hat?« fragte Smith. »Und wer ist Mildred?«
    »Ah, wer ist Mildred?« wiederholte Wetzon theatralisch, »Was ist sie, die aller Welt Verehrung?«
    Smith starrte sie verständnislos an. »Also wirklich, Wetzon manchmal redest du ein Zeug daher...«
    »Ein kleiner Ausrutscher«, murmelte Wetzon. Sie durfte nie versuchen, sich bei Smith auf literarisches Terrain zu begeben. »Es gibt nur eine allgemein bekannte Mildred in der Branche. Und zufällig war sie mal mit Jake Donahue verheiratet. Mildred Gleason.«
    »Aha, ja«, sagte sie, indem sie W. C. Fields imitierte. «Denken wir darüber nach.«
    »Dieses Zeug sieht mehr nach Recherchen aus«, sagte Wetzon.
    »Ja, und hier ein Handbuch über Aktien und Wertpapiere.« Smith hielt ein gebundenes Buch hoch. »Und Superaktien von einem Kenneth L. Fisher.«
    »Kein Wunder, daß der blöde Koffer so schwer war.«
    Sie hörten den Summer aus der Diele.
    »Verdammt. Dein freundlicher Detective hat sich aber beeilt.« Smith stand auf und reckte sich. Sie überließ es Wetzon, das Durcheinander zu beseitigen.
    Hastig legte Wetzon alles in der richtigen Reihenfolge wieder hinein und bewegte den Deckel, um den Koffer zu schließen, aber ein schwerer Gegenstand rutschte aus dem Harmonikafach heraus und blockierte das Schloß.
    »Um Gottes willen, Xenia«, stieß Wetzon atemlos hervor. »Da — eine Pistole.«
    »Was?« Sie war schon halb durch die Schlafzimmertür und kam in einem Wirbel von Rot und Schwarz zurück, um auf die dicke, glänzende Mündung einer kleinen Automatik zu starren.
    Der Summer ertönte zum zweitenmal. »Rühr dich nicht. Ich bin gleich wieder da«, sagte sie und eilte in die Diele. Sie sprach kurz über die Gegensprechanlage mit Tony und war wieder da. Wetzon hatte sich nicht bewegt. Sie war auf den Knien und saß auf ihren Fersen. Ihre Hände waren feucht.
    Sie starrten die Pistole an, die halb aus dem Diplomatenkoffer ragte.
    »Schieb sie zurück«, drängte Smith. Ohne Grund flüsterte sie. »Nein, mit deinem Kuli. Faß sie nicht an.«
    Vorsichtig stieß Wetzon die Mündung der Pistole in den Koffer. Der Koffer schloß sich durch das Gewicht des Harmonikafachs von selbst. Sie drückte auf den Deckel, und das Schloß schnappte ein. Sie zitterte.
    Es läutete an der Tür.

W etzon brachte den Diplomatenkoffer ins Wohnzimmer und stellte ihn neben der großen schwarzen Marmorplatte eines Couchtischs ab. Und da waren Smith’ Tarock-Karten auf dem Tisch ausgebreitet, als hätte sie sie gerade aufgelegt. Großartig. Silvestri würde glauben, sie und Smith seien Spinner.
    Das war eine weitere Ähnlichkeit zwischen dem Showbusineß und der Maklerbranche. Jeder hatte einen Astrologen, ein persönliches Medium, eine Kartenleserin, einen Zahlendeuter und probierte immerzu neue aus. Ein sehr ehrlicher, außerordentlich erfolgreicher Börsenmakler hatte Wetzon einmal allen Ernstes erzählt, daß er nur Aktien kaufte, wenn er vorher mit Miranda gesprochen hatte.
    »Miranda?« hatte sie zu fragen gewagt.
    »Mein Medium«, hatte er erwidert.
    »Ich koche eine Kanne Kaffee«, rief Smith aus der Küche.
    Wetzon tappte ins Schlafzimmer, um ihre Schuhe anzuziehen. Sie betrachtete sich im Spiegel über Smith’ Kommode. Sie sah schrecklich aus. Abgespannt. Ihr Haar löste sich. Wo hatten sie diese Haarnadel hingelegt? Sie fand sie auf dem Teppich, wo sie den Koffer geöffnet hatten, und versuchte, die losen Strähnen festzustecken.
    Die Türklingel läutete wieder, diesmal energischer, und da Smith nicht reagierte, ging Wetzon an die Tür, indem sie unterwegs ihre Bluse glattstrich und den Rock geraderückte. Ihre Kostümjacke lag, wo sie sie hingeworfen hatte, als sie hereingekommen war — in der Unordnung auf Smith’ Bett.
    »Na, was war denn so wichtig, Miss Wetzon?« fragte Silvestri, als sie die Tür aufmachte. Er hatte die Hände in den Taschen und sah müde aus. Der Schatten eines dunklen Bartes machte sein Gesicht härter. Seine Augen waren nichtssagend und dunkel. Unpersönlich.

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