Wall Street Blues
Glauben Sie mir.«
»Okay, sprechen wir von Ihnen. Wie geht es Ellen?«
»Prima, prima. Das Baby soll in sechs Wochen kommen.«
»Wie schön.«
»Und wir haben ein Haus gekauft. In Manhasset.«
»Dann sind Sie Pendler geworden.«
»Ja, und es ist gar nicht so schlecht. Ich lese morgens im Zug die Tageszeitungen und auf dem Heimweg die Wirtschaftsnachrichten und die Börsenkurse.«
»Und wie läuft es im Büro?« fragte Wetzon und lenkte ihn so zum eigentlichen Problem, das ihn veranlaßt hatte, sich mit ihr zu treffen.
»Ja, darüber möchte ich mit Ihnen sprechen. Sie wissen, daß ich in Ihnen eine Freundin sehe.«
Wer sagte noch, daß unehrliche Leute einem nicht in die Augen schauen können? dachte sie sofort, als sie Howies aufrichtigem Blick begegnete.
»Okay, ich höre.«
»Einer von meinen guten Kunden, ich habe ihn für eine unserer Hightech-Aktien interessiert, wissen Sie, eine Empfehlung der Rosenkind-Forschung, und er ist groß eingestiegen, weil es wirklich gut aussah...« Howie machte eine Pause und griff nach seinem Drink.
»Und?«
»Die Aktie fiel rapide — gewaltig — , und er war um fünfzehn Mille ärmer...« Auf Howies Oberlippe hatten sich kleine Schweißperlen gebildet.
»Na und? Das war nicht Ihr Fehler. Die Firma empfahl sie, und er kaufte.«
»Ganz recht. Mein Kunde sagte, er gebe mir nicht die Schuld, aber er werde einen Brief an die Firma schreiben, um sich über die Aktie und ihr Verhalten beklagen, nachdem sie sie empfohlen hatten, und er wolle mich wissen lassen, daß dies seine Absicht sei.«
»Schön, nett von ihm.«
»Genau. Er schreibt also den Brief, und der Leiter der Rechtsabteilung ruft, und der Chef des Einzelhandels ist da, und mein Manager und der Chef der Forschung, und sie teilen mir mit, daß sie dem Mann seine fünfzehn Mille zurückzahlen wollen. Sie wollen keine Prozesse und kein öffentliches Aufsehen, und dann bekomme ich es ab. Sie wollen die fünfzehn Mille, die sie ihm zurückgeben, von meinen zukünftigen Provisionen einbehalten.«
»Das ist schlimm. Ungerecht. Was haben Sie dazu gesagt?«
»Ich habe gesagt, daß es schlimm und ungerecht ist und daß sie mich sehr unglücklich machen.«
»Und was haben sie geantwortet?«
»Sie meinten, das sei Pech für mich.«
»Also möchten Sie sich wieder umsehen.«
»Ja. Und dieses Mal meine ich es ernst, Wetzon. Ich bin bereit zum Wechseln. Ich möchte denen zeigen, daß sie das mit mir nicht machen können. Ich bin ja nicht ewig in diesem Geschäft. Ich möchte etwas Kapital beiseitelegen und aussteigen, bevor ich vierzig bin. Sie wissen, was ich meine. Einmal großen Reibach machen, und ich bin aus diesem mörderischen Kampf heraus.«
Das war es wieder. Der große Reibach. Darauf waren alle aus.
»Also was meinen Sie, Wetzon, meine Freundin?«
Sie lächelte. »Packen wir es an. Wieviel haben Sie bis jetzt in diesem Jahr?«
Er zog einen Schnellhefter aus seiner Aktentasche und zeigte ihr seine Erfolgsbilanz. »Das ist ein sehr wichtiger Schritt für mich, Wetzon. Deshalb freue ich mich, daß wir zusammen daran arbeiten werden.«
Es war nach sechs, als Wetzon und Howie Minton sich die Hand gaben.
»Ich rufe Sie am Montag an und lasse Sie wissen, was ich vorhabe«, sagte sie.
»Fangen Sie bei Shearson an«, schlug er vor.
»Abgemacht.«
»Vielen Dank, meine Freundin«, sagte Howie. »Ich muß mich beeilen, daß ich den Zug bekomme.« Er stand auf und übersah die Rechnung, die der Kellner auf den Tisch gelegt hatte. »Wetzon«, sagte er und nahm noch einmal ihre Hand, »alles Gute. Und hören Sie auf meinen Rat als Freund, lassen Sie sich nicht in diese Geschichte mit Barry Stark hineinziehen. Und halten Sie sich von Jake Donahue fern. Von dort kann nur Schlechtes kommen.«
»Warten Sie, Howie«, rief sie ihm nach. »Sagen Sie...«
»Ich bin in Eile, Wetzon. Machen Sie’s gut.« Howie zupfte im Weggehen seine Manschetten gerade: ein gutgekleideter Mann von achtundzwanzig, dessen Jahreseinkommen einiges über 150.000 Dollar lag. Es war erstaunlich. Ja, Howie hatte recht. In welcher anderen Branche konnten solche jungen Männer soviel Geld so schnell und so legal verdienen?
Sie zahlte die Rechnung, ließ dem Kellner fünf Dollar liegen und ging nach unten in den Bauch des World Trade Center, um den IRT zu nehmen. Die Stoßzeit war fast vorbei, und die Bahnsteige und Züge waren längst nicht mehr so voll, wie sie es vor einer Stunde gewesen wären. Sie bekam einen Platz in einem Zug der Linie
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