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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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fürchterlich, aber der Wortschatz war viel größer als sein eigener. Warum bietet die Landespolizeileitung keine Englischkurse an, dachte er vorwurfsvoll. Anstelle dieser verdammten Kurse in Personalführung und interner Demokratie?
    »Ich glaube, das stimmt«, meinte Major Liepa. »Die sich auflösenden kommunistischen Staaten ähneln sinkenden Schiffen. Die Kriminellen sind die Ratten, die als erste das Schiff verlassen. Sie haben Kontakte, sie haben Geld, sie können es sich leisten. Viele der im Westen Asyl suchenden Menschen aus den osteuropäischen Staaten sind nichts anderes als Banditen, die nicht vor der Unterdrückung fliehen, sondern |96| neue Jagdgebiete suchen. Die Lebensgeschichte und die Identität eines Menschen zu fälschen ist sehr einfach.«
    »Major Liepa«, sagte Wallander. »Sie sagen, Sie glauben.
You believe. You do not know?
«
    »Ich bin sicher«, antwortete Major Liepa. »Aber ich kann es nicht beweisen, noch nicht.«
    Wallander mußte einsehen, daß sich hinter Major Liepas Worten Zusammenhänge und Inhalte verbargen, die er nicht unmittelbar überblicken oder verstehen konnte. In Major Liepas Heimat war die Kriminalität an eine politische Elite geknüpft, die Macht und Autorität besaß, Verbrechen zu vertuschen oder den Strafvollzug direkt zu beeinflussen. Die beiden Leichen, die an der schwedischen Küste an Land getrieben worden waren, hatten den unsichtbaren Gruß eines komplizierten und fremden Hintergrundes mitgebracht. Welche Hände hatten eigentlich die Waffen gehalten, die auf ihre Herzen gerichtet gewesen waren?
    Wallander wurde schlagartig klar, daß Major Liepa bei jeder Ermittlung Beweise für einen politischen Hintergrund suchte. Vielleicht sollten wir in Schweden auf dieselbe Weise arbeiten, dachte er. Vielleicht sollten wir uns eingestehen, daß wir in die Kriminalität, die wir täglich erleben, nicht tief genug vordringen?
    »Die Männer«, sagte Martinsson. »Wer hat sie ermordet? Und warum?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Major Liepa. »Sie wurden natürlich hingerichtet. Aber warum wurden sie gefoltert? Wer hat das getan? Was wollten die Mörder wissen, ehe Leja und Kalns zum Schweigen gebracht wurden? Haben sie erfahren, was sie wollten? Auch ich habe viele unbeantwortete Fragen.«
    »Die Antworten lassen sich wohl kaum in Schweden finden«, sagte Wallander.
    »Ich weiß«, meinte Major Liepa. »Die Antwort liegt vielleicht in Lettland.«
    Wallander stutzte. Warum sagte er »vielleicht«?
    |97| »Wenn die Antwort nicht in Lettland liegt, wo dann?« fragte er.
    »Weiter weg«, antwortete Liepa.
    »Weiter östlich«, schlug Martinsson vor.
    »Vielleicht auch weiter südlich«, sagte Major Liepa zögernd; Martinsson und Wallander begriffen, daß er sie noch nicht in seine Überlegungen einweihen wollte.
    Sie beendeten die Besprechung. Wallander, der während des langen, mühseligen Gesprächs die ganze Zeit still dagesessen hatte, spürte seinen Hexenschuß. Martinsson versprach, Major Liepa beim Geldtauschen behilflich zu sein. Wallander bat ihn, auch mit Lovén in Stockholm Kontakt aufzunehmen, um zu hören, was die ballistische Untersuchung ergeben hatte. Er selbst wollte einen Bericht über die Ergebnisse der Besprechung schreiben. Staatsanwältin Anette Brolin hatte ihm mitteilen lassen, daß sie gerne so bald wie möglich über den bisherigen Ermittlungsstand informiert werden wollte.
    Anette Brolin, dachte Kurt Wallander, als er den verrauchten Konferenzraum verließ und über den Flur ging. Es wird dir erspart bleiben, diesen Fall vor Gericht zu bringen. Den schicken wir so schnell wir können nach Riga, zusammen mit zwei Leichen und einem roten Rettungsboot. Dann können wir die Voruntersuchung als abgeschlossen betrachten und beruhigt feststellen, daß wir unseren Teil der Angelegenheit erledigt haben und
zu weiteren Maßnahmen keine Veranlassung besteht
.
     
    Nach dem Mittagessen hatte er seinen Bericht fertig. Martinsson war mit Major Liepa unterwegs gewesen, der Kleider für seine Frau kaufen wollte. Er hatte gerade bei der Staatsanwaltschaft angerufen und erfahren, daß Anette Brolin Zeit für ihn hatte, als Martinsson zur Tür hereinkam.
    »Wo hast du den Major gelassen?« fragte Wallander.
    »Er sitzt in seinem Büro und raucht«, antwortete Martinsson. »Er hat schon Asche auf Svedbergs schönem Teppich hinterlassen.«
    |98| »Hat er schon gegessen?«
    »Ich habe ihn zum Tagesgericht ins ›Lurblåsaren‹ eingeladen. Es gab Gulasch. Ich

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