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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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zuzuwinken. Obwohl es noch früh am Abend war, drängelten sich in dem schummrigen Nachtclub bereits die Menschen. Er tastete sich zwischen den Tischen vor, sah Frauen, die ihm lächelnd einladende Blicke zuwarfen, und fand schließlich einen freien Tisch. Er sollte jetzt nichts trinken, sein Kopf mußte völlig klar sein, aber als ein Kellner an seinen Tisch kam, bestellte er dann doch einen Whisky. Der Platz für das Tanzorchester war leer, die scheppernde Musik kam aus Boxen, die von der schwarzgestrichenen Decke herabhingen. Er versuchte, in dieser verrauchten Dämmerungslandschaft einzelne Menschen zu unterscheiden, aber alle blieben nur Schatten und Stimmen, die sich mit der schauderhaften Musik vermischten.
    Inese tauchte scheinbar aus dem Nichts auf, und sie spielte ihre Rolle mit einer Sicherheit, die ihn erstaunte. Von der schüchternen Frau, die er vor ein paar Tagen nur kurz getroffen hatte, war nichts übriggeblieben. Sie war stark geschminkt, trug einen aufreizenden Minirock, und er begriff, daß er nicht darauf vorbereitet war, bei diesem Spiel mitzumachen. Er streckte ihr die Hand entgegen, um sie zu begrüßen, aber sie ignorierte sie, beugte sich über ihn und gab ihm einen Kuß.
    »Wir gehen nicht direkt«, sagte sie. »Bestell mir irgendwas. Lache, zeig, daß du dich freust, mich zu sehen.«
    Sie trank Whisky, rauchte nervös, und Wallander versuchte, seine Rolle des geschmeichelten Mannes mittleren Alters, dem es gelungen ist, die Aufmerksamkeit einer jungen Frau auf sich zu ziehen, zu spielen. Er versuchte, den Lärm aus den Boxen zu übertönen, und erzählte von seiner langen Fahrt durch die Stadt mit dem Sergeant als Reiseführer. Er bemerkte, daß sie einen Stuhl gewählt hatte, der es ihr ermöglichte, die Tür zum Nachtclub im Auge zu behalten. Als Wallander erwähnte, daß er am nächsten Tag heimreisen würde, schreckte sie auf. Er fragte sich, wie tief verstrickt sie in die ganze |235| Sache war, ob sie auch zu den
Freunden
gehörte, von denen Baiba Liepa gesprochen hatte. Den Freunden, deren Träume verhindern sollten, daß die Zukunft des Landes den Hunden zum Fraß vorgeworfen wurde.
    Aber nicht einmal ihr kann ich trauen, dachte Wallander. Auch sie kann andere Auftraggeber haben, unter Druck gesetzt worden sein oder aus reiner Not handeln oder weil sie ein Zeichen ohnmächtiger Verzweiflung setzen will.
    »Bezahle«, sagte sie. »Wir werden gleich gehen.«
    Wallander sah, daß die Bühnenbeleuchtung eingeschaltet wurde und Musiker in rosafarbenen Seidenjacketts ihre Instrumente stimmten. Er zahlte, und sie lächelte und tat so, als flüstere sie ihm Zärtlichkeiten ins Ohr.
    »Neben den Toiletten befindet sich eine Hintertür«, sagte sie. »Sie ist abgeschlossen. Aber wenn du klopfst, kommt jemand, um sie zu öffnen. Du gelangst in eine Garage. Dort steht ein weißer Moskwitch mit einem gelben Kotflügel vorne rechts. Der Wagen ist offen. Setz dich auf den Rücksitz. Ich komme sofort nach. Lächle jetzt, flüstere mir etwas ins Ohr und küß mich. Geh dann.«
    Er tat, was sie gesagt hatte, und stand dann auf. Er klopfte an die Stahltür, die sofort aufgeschlossen wurde. Bei den Toiletten herrschte ein reges Kommen und Gehen, aber niemand schien darauf zu achten, daß er schnell durch die Tür zur Garage verschwand.
    Ich befinde mich in einem Land voller geheimer Ein- und Ausgänge, dachte er. Nichts scheint hier offen zu geschehen. Die enge Garage roch nach Öl und Benzin und war schlecht beleuchtet. Wallander entdeckte einen Lastwagen, dem ein Rad fehlte, ein paar Fahrräder und den weißen Moskwitch. Der Mann, der ihm geöffnet hatte, war sofort wieder verschwunden. Wallander griff nach der Autotür. Sie war unverschlossen. Er zwängte sich auf den Rücksitz und wartete. Kurz darauf kam Inese, sie hatte es eilig. Sie ließ den Wagen an, die Garagentüren glitten auf, und dann fuhr sie aus dem Hotel hinaus |236| und bog links ab, fort von den breiten Straßen, die den Häuserblock mit dem Hotel »Latvija« umgaben. Er sah, daß sie die nachfolgenden Wagen aufmerksam im Rückspiegel beobachtete, ein paarmal abbog und einer unsichtbaren Karte zu folgen schien, die ihn schon bald die Orientierung verlieren ließ. Nach ungefähr zwanzig Minuten mit wiederholten Abbiegemanövern schien sie davon überzeugt zu sein, daß ihnen niemand folgte. Sie bat Wallander um eine Zigarette, und er zündete ihr eine an. Sie überquerten die lange Eisenbrücke und verschwanden in dem Durcheinander

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