Wallander 03 - Die weisse Löwin
Ersatzmann?« fragte Franz Malan.
»Sikosi Tsiki. Auf meiner früher aufgestellten Liste stand er an zweiter Stelle. Er ist achtundzwanzig Jahre alt, in der Nähe |292| von East London geboren. Es ist ihm auf Betreiben gelungen, sowohl aus dem ANC als auch aus der Inkatha-Bewegung ausgeschlossen zu werden. In beiden Fällen wegen mangelnder Loyalität und verschiedener Diebstähle. Inzwischen hegt er auf beide Organisationen einen Haß, den ich fanatisch nennen möchte.«
»Fanatiker«, sagte Franz Malan. »Erfahrungsgemäß gibt es bei solchen Menschen immer etwas, was sich nicht kontrollieren läßt. Sie agieren mit Todesverachtung, aber sie folgen nicht immer den vereinbarten Plänen.«
Franz Malans schulmeisternder Ton irritierte Jan Kleyn. Es gelang ihm jedoch, dies zu verbergen, als er antwortete. »Ich nenne ihn fanatisch. Das bedeutet nicht, daß er es sein muß. Er ist ein Mann, dessen Kaltblütigkeit nicht geringer ist als deine oder meine.«
Franz Malan gab sich mit dieser Antwort zufrieden. Er hatte wie gewöhnlich keinen Anlaß, dem zu mißtrauen, was Jan Kleyn sagte.
»Ich habe mit den übrigen Freunden im Komitee gesprochen«, fuhr Jan Kleyn fort. »Ich wollte die Abstimmung, weil ja trotz allem ein Ersatzmann gewählt werden sollte. Keiner hatte eine abweichende Meinung.«
Franz Malan konnte die Mitglieder des Komitees vor sich sehen, wie sie um den ovalen Walnußtisch herum saßen und langsam die Hand hoben, einer nach dem anderen. Es gab keine geheimen Abstimmungen. Offenheit in den Beschlüssen war notwendig, damit das Vertrauen erhalten blieb. Abgesehen von dem Willen, mit drastischen Methoden die Rechte der Buren und schließlich aller Weißen in Südafrika zu verteidigen, hatten die Mitglieder des Komitees wenig oder gar nichts miteinander zu tun. Der Faschistenführer Terrace Blanche wurde von vielen im Komitee mit schlecht verhohlener Verachtung betrachtet. Aber seine Anwesenheit war notwendig. Der Repräsentant der Diamantenfamilie de Beer, ein älterer Mann, den noch niemand jemals hatte lachen sehen, wurde mit dem gespaltenen Respekt umgeben, den großer Reichtum oft erzeugt. Richter Pelser, der Vertreter der Bruderschaft, war ein |293| Mann, der für seine Menschenverachtung berüchtigt war. Aber er hatte großen Einfluß, und man widersprach ihm selten. General Stroesser schließlich, vom Oberkommando der Luftwaffe, war ein Mann, der sich nicht gern mit zivilen Beamten oder Grubenbesitzern umgab.
Aber sie hatten abgestimmt, um Sikosi Tsiki den Auftrag zu geben. Damit konnten er und Jan Kleyn den Plan fortsetzen.
»Sikosi Tsiki reist in drei Tagen«, sagte Jan Kleyn. »Konovalenko ist bereit, ihn zu empfangen. Tsiki fliegt via Amsterdam nach Kopenhagen, mit einem sambischen Paß. Dann wird er mit einem Boot nach Schweden geholt.«
Franz Malan nickte. Nun war er an der Reihe. Er nahm eine Anzahl vergrößerter Schwarzweißfotografien und eine Karte aus seiner Aktentasche. Die Bilder hatte er selbst geknipst und im Labor in seinem Haus entwickeln lassen. Die Karte hatte er in einem unbeobachteten Moment an seinem Arbeitsplatz kopiert.
»Freitag, der 12. Juni«, begann er. »Die örtliche Polizei rechnet mit mindestens vierzigtausend Zuhörern. Vieles spricht dafür, daß das eine geeignete Gelegenheit für uns sein kann, zuzuschlagen. Zum ersten gibt es da eine Berghöhe, Signal Hill, genau südlich vom Stadion. Die Entfernung zu der Stelle, wo das Rednerpult stehen wird, beträgt zirka siebenhundert Meter. Die Erhebung ist nicht bebaut. Aber es gibt einen befahrbaren Weg da hinauf, von der Südseite her. Sikosi Tsiki wird keine Probleme haben, weder wenn er hinfährt, noch wenn er von dort verschwindet. Wenn es notwendig wird, kann er sich auch dort oben versteckt halten und später hinabsteigen, um sich in dem Chaos, das ausbrechen wird, unter die Schwarzen zu mischen.«
Jan Kleyn betrachtete gewissenhaft die Fotografien. Er wartete auf eine Fortsetzung.
»Mein zweites Argument ist«, sagte Franz Malan, »daß hier ein Attentat in dem Teil unseres Landes ausgeführt werden würde, den wir den englischen nennen. Afrikaner reagieren primitiv. Ihr erster Gedanke wird sein, daß der Täter jemand aus Kapstadt war. Der Zorn wird sich gegen die richten, die in der Stadt wohnen. All diesen liberalen Engländern, die den Schwarzen |294| so gewogen sind, wird klargemacht, was sie zu erwarten haben, wenn die Schwarzen die Macht im Land übernehmen. Das wird es für uns bedeutend
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