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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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in Gent in Belgien bestimmt waren. Wallander fragte sich, wie sie wohl bei Björn Fredman gelandet waren. Forsfält kam mit ein paar Fotos des Wohnungsinhabers in die Küche. Wallander nickte. Es bestand kein Zweifel. Dies war der Mann aus der Grube vor dem Bahnhof in Ystad. Wallander ging zurück ins Wohnzimmer und versuchte sich darüber klarzuwerden, was er eigentlich zu finden hoffte. Fredmans Wohnung stellte das krasse Gegenteil zu Wetterstedts Villa dar und auch zu dem aufwendig renovierten Hof, den Arne Carlman besessen hatte. So sieht Schweden aus, dachte Wallander. Der Unterschied zwischen den Menschen ist genauso groß wie zu der Zeit, als ein Teil in Herrenhäusern lebte und der andere Teil in Hütten.
    Sein Blick fiel auf einen Schreibtisch, der mit Zeitschriften über Antiquitäten übersät war. Er nahm an, daß sie mit Fredmans Hehlereien zu tun hatten. Der Schreibtisch hatte nur eine Schublade. Sie war unverschlossen. Zwischen einem Haufen Quittungen, kaputten Kugelschreibern und einem Zigarettenetui lag ein gerahmtes Foto von Björn Fredman im Kreise seiner Familie. Er lachte breit und offen in die Kamera. Die neben ihm sitzende Frau mußte seine Ehefrau sein. Sie hielt ein neugeborenes Kind im Arm. Schräg hinter der Mutter stand ein Mädchen im frühen Teenageralter. Ihre Augen blickten mit einem Ausdruck, der an Entsetzen erinnerte, in Richtung des Fotografen. Neben ihr, direkt |253| hinter der Mutter, stand ein um einige Jahre jüngerer Junge. Er machte ein verbissenes Gesicht, als wolle er dem Fotografen bis ins letzte Widerstand leisten. Wallander nahm das Foto mit an ein Fenster und zog die Gardine beiseite. Er betrachtete es lange und versuchte zu verstehen, was er sah. Eine unglückliche Familie? Eine Familie, der ihr Unglück noch nicht bewußt war? Ein Neugeborenes, das nicht ahnte, was es erwartete? Etwas an dem Bild verursachte ihm Beklemmungen, deprimierte ihn, ohne daß er auf Anhieb sagen konnte, was es war. Er nahm das Bild mit ins Schlafzimmer, wo Forsfält auf den Knien lag und unter das Bett schaute.
    »Du sagtest, er hätte wegen Körperverletzung gesessen«, sagte Wallander.
    Forsfält stand auf und betrachtete das Bild in Wallanders Hand.
    »Er hat seine Frau halb totgeschlagen«, sagte er. »Er schlug sie, als sie schwanger war. Er schlug sie, als das Kind geboren war. Aber dafür kam er komischerweise nie ins Gefängnis. Einmal hat er einem Taxifahrer das Nasenbein gebrochen. Er schlug einen früheren Kumpan, von dem er sich hintergangen fühlte, halb tot. Wegen des Taxichauffeurs und des Kumpans kam er in den Knast.«
    Sie gingen die Wohnung weiter durch. Svedberg hatte sein Gespräch mit Hansson beendet. Er schüttelte den Kopf, als Wallander fragte, ob etwas Wichtiges geschehen sei. Sie brauchten zwei Stunden für die systematische Durchsuchung der Wohnung. Sie fanden nichts von Interesse, abgesehen von einem Koffer mit antiken Kerzenständern, den Forsfält aus dem hintersten Winkel einer Kleiderkammer hervorzog. Wallander begann nach und nach zu begreifen, was es bedeutete, daß Björn Fredmans Sprache sich durch eine nahezu ununterbrochene Aneinanderreihung von Flüchen ausgezeichnet hatte. Die Wohnung war ebenso leer und kraftlos wie seine Sprache. Um halb vier verließen sie die Wohnung und traten wieder auf die Straße. Der Wind hatte zugenommen. Forsfält rief im Präsidium an und erhielt die Bestätigung, daß Fredmans Familie von dem Todesfall unterrichtet worden war.
    »Ich will gern mit ihnen sprechen«, sagte Wallander. »Aber vielleicht ist es besser, damit bis morgen zu warten.«
    Er merkte, wie unaufrichtig er war.
    |254| Er hätte der Wahrheit gemäß sagen sollen, daß es ihm stets ein Greuel war, bei einer Familie einzudringen, in der ein Angehöriger eines gewaltsamen Todes gestorben war. Vor allem konnte er den Gedanken nicht ertragen, mit Kindern sprechen zu müssen, die gerade ein Elternteil verloren hatten. Für sie bedeutete es natürlich keinen Unterschied, wenn er bis zum nächsten Tag wartete. Doch ihm selbst verschaffte es eine Atempause.
    Sie trennten sich vor dem Präsidium. Forsfält würde Kontakt mit Hansson aufnehmen, um eine Reihe formaler Details zwischen den beiden Polizeibezirken zu klären. Mit Wallander verabredete er, sich am nächsten Morgen um zehn wieder zu treffen.
    Sie stiegen in ihren eigenen Wagen um und fuhren zurück nach Ystad.
    Wallander hatte den Kopf voller Gedanken.
    Während der ganzen Fahrt wechselten sie kein Wort

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