Wallander 05 - Die falsche Fährte
Mittag aßen.
»Eines Tages landen wir vielleicht alle hier«, sagte Wallander. »Wenn der Bezirk dichtgemacht wird und es nur noch eine Polizeistation in jeder Provinz gibt.«
»Das würde doch nie funktionieren.«
»Nein. Würde es nicht. Aber so kann es trotzdem kommen. Ob es funktioniert oder nicht. Die Reichspolizeibehörde und die politischen Bürokraten haben eins gemeinsam: Sie versuchen immer, das Unmögliche zu beweisen.«
Plötzlich stand Forsfält neben ihnen. Sie begrüßten ihn und folgten ihm in sein Büro. Wallander fand ihn auf Anhieb sympathisch. Irgendwie erinnerte er ihn an Rydberg. Forsfält war mindestens sechzig Jahre alt, hatte ein freundliches Gesicht und zog beim Gehen leicht das linke Bein nach. Er holte einen dritten Stuhl von draußen. Wallander hatte sich schon gesetzt und betrachtete ein paar Fotos von lachenden Kindern, die an eine der Wände gepinnt waren. Er tippte auf Forsfälts Enkelkinder.
»Björn Fredman«, sagte Forsfält. »Klar, das ist er. Sah ja furchtbar aus. Wer tut so etwas?«
»Wenn wir das wüßten«, antwortete Wallander. »Aber genau das tun wir nicht. Wer war Björn Fredman?«
»Ein Mann Mitte Vierzig, der in seinem ganzen Leben keiner ehrlichen Arbeit nachgegangen ist«, begann Forsfält. »Viele der Einzelheiten kenne ich nicht. Aber ich habe schon veranlaßt, daß die Computer uns alles über ihn auswerfen. Er hat Hehlerei betrieben und wegen Körperverletzung im Knast gesessen. Ziemlich grobe Überfälle, soweit ich mich erinnern kann.«
»Hat er mit An- und Verkauf von Kunst zu tun gehabt?«
»Nicht, soweit ich weiß.«
»Schade«, meinte Wallander. »Sonst hätten wir ihn mit Gustaf Wetterstedt und Carlman in Verbindung bringen können.«
»Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, daß Björn Fredman |249| und Gustaf Wetterstedt viel miteinander hätten anfangen können«, sagte Forsfält grübelnd.
»Warum nicht?«
»Laß es mich kurz und bündig sagen«, erwiderte Forsfält. »Björn Fredman war das, was man früher einen groben Klotz nannte. Er soff und prügelte sich. Ein brutaler Kerl. Von Bildung konnte man bei ihm nicht sprechen, wenn man davon absieht, daß er notdürftig lesen, schreiben und rechnen konnte. Seine Interessen kann man kaum als besonders ausgefallen bezeichnen. Ein paarmal habe ich ihn selbst verhört. Ich kann mich noch erinnern, daß sein Wortschatz hauptsächlich aus Flüchen bestand.«
Wallander hörte aufmerksam zu. Als Forsfält endete, sah er Svedberg an. »Dann geht unsere Ermittlung von vorne los«, sagte Wallander langsam. »Wenn wir keinen Zusammenhang zwischen Fredman und den beiden anderen finden, sind wir wieder beim Ausgangspunkt angelangt.«
»Es kann natürlich etwas geben, wovon ich nichts weiß«, sagte Forsfält.
»Ich ziehe keine Schlußfolgerungen«, sagte Wallander. »Ich denke nur laut.«
»Seine Familie«, sagte Svedberg. »Lebt die hier in der Stadt?«
»Er war seit einigen Jahren geschieden«, antwortete Forsfält. »Das weiß ich sicher.«
Er griff zum Telefon und führte ein Hausgespräch. Nach einigen Minuten kam eine Sekretärin und brachte Forsfält eine Personenakte. Er überflog sie rasch und legte sie auf den Tisch.
»Er wurde 1991 geschieden. Die Frau wohnt mit den Kindern noch in der alten Wohnung in Rosengård. Sie haben drei Kinder, das kleinste war gerade geboren, als sie sich trennten. Björn Fredman zog sich in eine Wohnung in der Stenbrottsgatan zurück, die er schon viele Jahre unterhielt. Hauptsächlich als Büro und Lager. Ich glaube kaum, daß seine Frau von der Wohnung wußte. Dahin hat er auch alle seine Damenbekanntschaften gebracht.«
»Wir fangen mit der Wohnung an«, sagte Wallander. »Die Familie kann warten. Ich gehe davon aus, daß ihr es übernehmt, sie von seinem Tod in Kenntnis zu setzen?«
Forsfält nickte. Svedberg war auf den Flur gegangen, um in |250| Ystad anzurufen und mitzuteilen, daß der Tote jetzt identifiziert war. Wallander war ans Fenster getreten und versuchte, sich darüber klarzuwerden, was im Augenblick das Wichtigste war. Es beunruhigte ihn, daß ein Verbindungsglied zwischen den beiden ersten Opfern und Björn Fredman zu fehlen schien. Zum erstenmal hatte er das Gefühl, auf einer falschen Fährte zu sein. War ihm etwas entgangen? Gab es vielleicht eine ganz andere Erklärung? Er beschloß, noch am selben Abend das gesamte Ermittlungsmaterial erneut durchzugehen und noch einmal unvoreingenommen zu betrachten.
Svedberg trat neben ihn.
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