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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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wollte. Einen letzten Skalp würde er noch vergraben. Dann würde alles vorbei sein.
     
    Er dachte an das, was auf ihn wartete. Der Mann, dessen Brustkorb sich in tiefen Wellenbewegungen gehoben hatte. Der Mann, der ihm gegenüber gesessen und nichts von dem heiligen Auftrag verstanden hatte, der Hoover aufgegeben war.
    Noch hatte er nicht entschieden, ob er auch das Mädchen, das im Zimmer nebenan gelegen hatte, mitnehmen sollte.
    Jetzt würde er sich ausruhen. Die Dämmerung war nahe.
    Morgen würde er seine letzte Entscheidung fällen.

|343| Schonen
    5
.

8.   Juli 1994

|345| 29
    Waldemar Sjösten war Kriminalbeamter in mittleren Jahren in Helsingborg. Im Sommerhalbjahr widmete er seine gesamte Freizeit einem alten Mahagoniboot aus den dreißiger Jahren, das er durch einen Zufall erstanden hatte. Er hatte auch an diesem Dienstagmorgen, dem 5.   Juli, nicht die Absicht, mit seiner Gewohnheit zu brechen, als er um kurz vor sechs das Rouleau vor seinem Schlafzimmerfenster mit einem Knall hochschnappen ließ. Er wohnte in einem renovierten Mietshaus im Stadtzentrum. Nur eine Straße, die Bahnschienen und das Hafengelände trennten ihn vom Sund. Das Wetter war so schön, wie es die Zeitungen am Vortag versprochen hatten. Sein Urlaub sollte erst Ende Juli beginnen. Bis dahin widmete er seinem Boot, das nur eine kurze Strecke mit dem Fahrrad entfernt im Yachthafen lag, jeden Tag einige frühe Morgenstunden. Waldemar Sjösten würde im Herbst fünfzig werden. Er war dreimal verheiratet gewesen und hatte sechs Kinder. Jetzt plante er eine vierte Ehe. Er hatte eine Frau getroffen, die sein Interesse für das alte Mahagoniboot teilte, dem er den imposanten Namen
Havskung
2 gegeben hatte,
Meereskönig
. Den Namen hatte er nach der wunderschönen Yacht gewählt, auf der er zusammen mit seinen Eltern die Sommer seiner Kindheit verbracht hatte. Sie hatte
Havskung
1 geheißen. Als er gerade zehn Jahre alt geworden war, hatte sein Vater sie zu seinem großen Kummer nach Norwegen verkauft. Er hatte sie nie vergessen können. Er fragte sich oft, ob sie noch existierte, ob sie gesunken oder verrottet war.
     
    Er trank rasch eine Tasse Kaffee und machte sich fertig. Da klingelte sein Telefon. Erstaunt über den frühen Anruf, griff er nach dem Hörer, der an der Küchenwand hing.
    |346| »Waldemar?« fragte eine Stimme, die er als die des Polizeidirektors Birgersson erkannte.
    »Ja, ich bin es.«
    »Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt.«
    »Ich wollte gerade aus dem Haus gehen.«
    »Ein Glück, daß ich dich noch erwischt habe. Du kommst am besten sofort her.«
    Waldemar Sjösten wußte, daß Birgersson nie angerufen hätte, wenn nicht etwas sehr Ernstes geschehen wäre.
    »Ich komme«, antwortete er. »Was ist denn passiert?«
    »Rauchentwicklung in einer der alten Villen oben in Tägaborg. Als die Feuerwehr sich Zugang zu dem Haus verschaffte, entdeckte sie einen Mann in der Küche.«
    »Tot?«
    »Ermordet. Wenn du ihn siehst, wirst du verstehen, warum ich dich angerufen habe.«
    Waldemar Sjösten sah seine Morgenstunden mit dem Boot dahinschwinden. Als pflichtbewußter Polizeibeamter, der zudem noch nicht jedes Gefühl für die Spannung verloren hatte, die ein unerwarteter Todesfall entstehen ließ, fiel es ihm nicht schwer, sich umzustellen. Statt nach dem Fahrradschlüssel griff er nach seinem Wagenschlüssel und verließ die Wohnung. Er brauchte nur ein paar Minuten bis zum Polizeipräsidium. Birgersson wartete auf der Treppe. Er setzte sich zu ihm in den Wagen und sagte ihm, wohin er fahren mußte.
    »Wer ist der Tote?« fragte Sjösten.
    »Åke Liljegren.«
    Sjösten gab ein Pfeifen von sich. Åke Liljegren war eine bekannte Persönlichkeit, nicht nur in der Stadt, sondern im ganzen Land. Er nannte sich Revisor und hatte sich seinen Ruf als graue Eminenz hinter einer Reihe von Scheinfirmenaffären in den achtziger Jahren erworben. Abgesehen von einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe war es der Polizei und den Gerichten nie gelungen, Verurteilungen wegen der offensichtlich gesetzeswidrigen Tätigkeit, die er betrieb, zu erreichen. Åke Liljegren war zum Symbol für die schlimmste Form von Wirtschaftskriminalität geworden, während gleichzeitig die Tatsache, daß er sich immer |347| noch auf freiem Fuß befand, die schwache Abwehrbereitschaft des Rechtsstaates gegen Leute wie ihn verdeutlichte. Er stammte aus Båstad, hatte aber in den letzten Jahren in Helsingborg gewohnt, wenn er sich in Schweden aufhielt.

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