Wallander 05 - Die falsche Fährte
als ein Mann in kurzen Hosen und einem Pulli mit dem Reklameaufdruck eines Golfclubs am Straßenrand stand und winkte. Er lotste sie zu einem fast nicht erkennbaren Seitenweg, und dort entdeckten sie den Steg, der von der Hauptstraße aus nicht zu sehen war. Sie hielten an, um die Reifenspuren, die dort sein sollten, nicht zu zerstören. Der Laborant hieß Erik Wiberg und war in den Fünfzigern. Er erzählte, er wohne im Sommer in einer Hütte nördlich der Straße und gehe häufig zum Steg hinunter, um seine Morgenzeitung zu lesen. Auch am Morgen des 29. Juni war er wie gewohnt zum Steg gegangen. Dabei waren ihm die Wagenspuren und die dunklen Flecken auf dem braunen Holz aufgefallen, doch hatte er ihnen keine Beachtung geschenkt. Am selben Tag war er mit seiner Familie nach Deutschland gefahren, und erst als er zurückkam und in einer Zeitung las, daß die Polizei nach dem Tatort eines Mordes suchte, der vermutlich am Meer lag, waren ihm die dunklen Flecken wieder eingefallen. Da er in einem Labor arbeitete, in dem sie häufig Rinderblut analysierten, meinte er sagen zu können, daß die dunklen Flecken auf dem Steg zumindest Blut ähnelten. Nyberg war in einem Wagen gleich nach Wallander eingetroffen und kniete jetzt mit den anderen neben den Reifenspuren. Er hatte Zahnschmerzen und war gereizter denn je. Wallander war der einzige, mit dem zu reden er sich überwinden konnte.
»Es kann tatsächlich Fredmans Ford sein«, sagte er. »Aber das müssen wir natürlich erst genauer untersuchen.«
|385| Zusammen betraten sie den Steg. Wallander sagte sich, daß sie Glück gehabt hatten. Das trockene Sommerwetter half ihnen. Wenn es geregnet hätte, wären kaum noch Spuren dagewesen. Er suchte Bestätigung bei Martinsson, der das beste Wettergedächtnis hatte.
»Hat es nach dem 28. Juni noch geregnet?«
Martinssons Antwort kam prompt. »Am Morgen des Mittsommertags hat es ein bißchen genieselt. Seitdem ist es trocken gewesen.«
»Dann sperren wir hier ab«, sagte Wallander und nickte Ann-Britt Höglund zu, die anrief, um die Absperrung des Geländes zu veranlassen.
»Paßt auf, wohin ihr tretet«, sagte Wallander.
Er stellte sich an den Anfang des Stegs auf der Landseite und betrachtete die Blutflecken, die sich ungefähr auf die Mitte des vier Meter langen Stegs konzentrierten. Er wandte sich um und schaute zur Straße hinauf. Er hörte den Verkehr, aber er sah keine Autos. Nur das Dach eines hohen Lastwagens glitt schnell vorüber. Da kam ihm ein Einfall. Ann-Britt Höglund telefonierte noch immer mit Ystad.
»Sag ihnen, sie sollen eine Karte mitbringen, die Ystad, Malmö und Helsingborg umfaßt«, bat er. Dann ging er ans äußerste Ende des Stegs und schaute ins Wasser. Der Grund war steinig. Erik Wiberg stand ein paar Meter entfernt am Strand.
»Wo liegt das nächste Haus?« fragte Wallander.
»Ein paar hundert Meter von hier«, antwortete Wiberg. »Auf der anderen Straßenseite in westlicher Richtung.«
Nyberg war auf den Steg getreten. »Sollen wir tauchen?«
»Ja«, sagte Wallander. »Wir untersuchen zunächst einen Radius von 25 Metern um den Steg.«
Dann zeigte er auf die Eisenringe, die in das Holz eingelassen waren. »Fingerabdrücke«, sagte er. »Wenn Björn Fredman hier getötet worden ist, muß er ihn hier festgebunden haben. Unser Täter läuft barfuß und benutzt keine Handschuhe.«
»Wonach sollen die Taucher suchen?«
Wallander überlegte. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Warten wir ab, ob sie etwas rausholen. Aber ich glaube, daß du auf dem Hang |386| zwischen der Stelle, wo die Reifenspuren enden, und dem Steg Spuren von Seetang finden wirst.«
»Der Wagen hat nicht gewendet«, meinte Nyberg. »Er ist rückwärts wieder zur Straße hochgefahren. Er kann nicht gesehen haben, ob Autos gekommen sind. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten, wenn er nicht total verrückt ist.«
Wallander hob die Augenbrauen. »Er ist verrückt«, sagte er.
»Ich meine nicht so«, sagte Nyberg.
Wallander verstand, was er meinte. Er hätte nicht zur Straße zurücksetzen können ohne einen Helfer, der ihm winkte, als die Straße leer war. Es sei denn, es war Nacht. Und er konnte an den Autolichtern erkennen, daß es ungefährlich war zurückzusetzen.
»Er hat keinen Helfer gehabt«, sagte Wallander. »Und es muß Nacht gewesen sein. Fragt sich nur noch, warum er Fredmans Leiche zu der Grube vor dem Bahnhof von Ystad gefahren hat.«
»Er ist verrückt«, erinnerte Nyberg. »Das hast du selbst
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