Wallander 05 - Die falsche Fährte
über den Kopf, übergießt sich mit Benzin und zündet sich mit einem Feuerzeug an. Den Rest kennen wir. Sie war allein, sie hatte einen Kanister mit Benzin, sie nahm sich das Leben.«
Er verstummte abrupt, als wisse er nicht mehr, was er sagen solle. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. »Wir wissen nicht, wer sie ist. Wir wissen nicht, warum sie sich selbst tötet. Ich bin in der Lage, eine recht gute Personenbeschreibung zu geben, aber das ist auch alles.«
Ann-Britt Höglund holte gesprungene Kaffeetassen aus einem Schrank. Martinsson ging hinaus auf den Hof und pinkelte. Als er zurückkam, fuhr Wallander fort mit seinem tastenden Versuch einer Zusammenfassung dessen, was sie wußten, und einer Entscheidung, was zu tun sei.
»Wir müssen herausfinden, wer sie war. Es ist eigentlich das einzige, was man von uns verlangen kann. Wir müssen die gesuchten Personen durchgehen. Ich erstelle ihre Personenbeschreibung. Weil ich glaube, daß sie dunkelhäutig war, sollten wir vielleicht von Anfang an besonderes Gewicht darauf legen, Flüchtlinge und Flüchtlingsquartiere zu kontrollieren. Dann müssen wir abwarten, was die Techniker herausfinden.«
»Wir wissen auf jeden Fall, daß es sich nicht um ein Verbrechen handelt«, sagte Hansson. »Unsere Aufgabe ist also herauszufinden, wer sie war.«
»Sie muß irgendwo hergekommen sein«, sagte Ann-Britt Höglund. »Ist sie zu Fuß gegangen? Ist sie mit dem Fahrrad gekommen? |48| Ist sie mit dem Auto gefahren? Woher hatte sie die Benzinkanister? Das sind eine Menge Fragen.«
»Warum ausgerechnet hier?« fragte Martinsson. »Warum Salomonssons Rapsfeld? Dieser Hof liegt ein ganzes Stück von den Hauptstraßen entfernt.«
Die Fragen blieben in der Luft hängen. Norén kam in die Küche und sagte, es seien einige Journalisten gekommen, die wissen wollten, was passiert sei. Wallander spürte, daß er sich bewegen mußte, und stand auf. »Ich rede mit ihnen«, sagte er.
»Sag es, wie es ist«, meinte Hansson.
»Was sollte ich denn sonst sagen?« fragte Wallander erstaunt.
Er ging auf den Hof hinaus und erkannte sogleich die beiden Journalisten. Eine junge Frau von Ystads
Allehanda
und ein älterer Mann von
Arbetet
.
»Das sieht aus, als würde ein Film gedreht«, sagte die Frau und zeigte auf die Scheinwerfer auf dem verbrannten Feld.
»So ist es aber nicht«, sagte Wallander.
Er berichtete, was geschehen war. Eine Frau war bei einem Brand ums Leben gekommen. Ein Verdacht, daß es sich um ein Verbrechen handelte, bestehe nicht. Weil sie noch nicht wußten, wer die Frau war, wolle er bis auf weiteres nicht mehr sagen.
»Kann man Bilder machen?« fragte der Mann von
Arbetet
.
»Sie können so viele Bilder machen, wie Sie wollen. Aber von hier aus. Niemand darf das Feld betreten.«
Die Journalisten gaben sich damit zufrieden und verschwanden in ihren Autos. Als Wallander in die Küche zurückgehen wollte, sah er, daß einer der Techniker, die auf dem Feld herumkrochen, ihm winkte. Wallander ging ihm entgegen. Er versuchte, nicht zu den Resten der Frau mit den hochgestreckten Armen hinzusehen. Es war Sven Nyberg, ihr mürrischer, doch anerkannt tüchtiger technischer Experte, der auf ihn zukam. Sie blieben am Rand des von den Scheinwerfern beleuchteten Areals stehen. Ein schwacher Wind vom Meer trieb über das niedergebrannte Rapsfeld.
»Ich glaube, wir haben etwas gefunden«, sagte Nyberg.
Er reichte Wallander einen kleinen Plastikbeutel. Wallander trat näher an einen der Scheinwerfer heran. In dem Plastikbeutel lag ein kleiner Goldschmuck.
|49| »Es hat eine Inschrift«, sagte Nyberg. »Die Buchstaben D. M. S. Es ist ein Madonnenbild.«
»Warum ist es nicht geschmolzen?« fragte Wallander.
»Ein Brand in einem Feld erzeugt keine Hitze, die Schmuck schmelzen läßt«, antwortete Nyberg.
Wallander hörte, daß er erschöpft war. »Das ist genau, was wir brauchen«, sagte er. »Wir wissen nicht, wer sie ist, aber jetzt haben wir auf jeden Fall ein paar Buchstaben.«
»Wir können sie bald wegnehmen«, sagte Sven Nyberg und nickte zu dem dunklen Leichenwagen hinüber, der am Feldrand wartete.
»Wie sieht es aus?« fragte Wallander vorsichtig.
Nyberg zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ergeben die Zähne etwas. Die Pathologen sind tüchtige Leute. Dann erfährst du vielleicht, wie alt sie war. Mit der neuen Gentechnik können sie dir wohl auch sagen, ob sie von schwedischen Eltern geboren wurde oder woandersher kam.«
»In der Küche gibt es
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