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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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geeinigt hatten, ihre fragile Beziehung nicht mit unnötigen Treueversprechen zu belasten. Er erinnerte sich, wie sie in der Nacht vor Weihnachten lange zusammengesessen und darüber gesprochen hatten, was sie eigentlich voneinander erwarteten. Wallander hätte am liebsten geheiratet. Aber als sie von ihrem Bedürfnis nach Freiheit sprach, hatte er ihr sogleich zugestimmt. Um sie nicht zu verlieren, war er bereit, ihr in allem zuzustimmen.
    Obwohl es noch so früh am Morgen war, war die Luft schon warm. Der Himmel war klarblau. Er trank in langsamen Schlucken den Kaffee und versuchte, nicht an das Mädchen zu denken, das sich im gelben Raps verbrannt hatte. Zurück im Schlafzimmer, mußte er lange im Kleiderschrank suchen, bis es ihm gelang, ein sauberes Hemd zu finden. Bevor er ins Bad ging, sammelte er seine schmutzige Wäsche zusammen, die in der ganzen Wohnung verstreut herumlag. Sie ergab einen großen Berg in der Mitte des Wohnzimmers. Er mußte sich noch am selben Tag für einen Termin in der Waschküche eintragen.
    Um Viertel vor sechs verließ er seine Wohnung. Er setzte sich in seinen Wagen und dachte daran, daß er spätestens Ende Juni zur technischen Überprüfung mußte. Ohne es geplant zu haben, lenkte er den Wagen aus der Stadt hinaus und hielt am Neuen Friedhof auf dem Kronoholmsvägen. Er ließ den Wagen stehen und spazierte langsam zwischen den Reihen niedriger Grabsteine umher. Dann und wann fiel sein Blick auf Namen, die er vage zu kennen meinte. Wenn er sein eigenes Geburtsjahr sah, wandte er sofort |53| den Blick ab. Ein paar Jugendliche in blauen Arbeitsanzügen luden gerade einen Rasenmäher von einem Lastenmoped. Er kam zum Hain des Gedenkens und setzte sich auf eine der Bänke. Hier war er seit jenem windigen Herbsttag vor vier Jahren, als sie Rydbergs Asche ausgestreut hatten, nicht gewesen. Björk war damals dabei und einige von Rydbergs entfernten und anonymen Verwandten. Wie oft hatte er sich vorgenommen, einmal wieder hierherzukommen. Aber es war nie etwas daraus geworden. Bis jetzt.
    Ein Grabstein wäre einfacher, dachte er. Auf dem Rydbergs Name eingemeißelt war. Das wäre ein Punkt, wo ich mich auf die Erinnerung konzentrieren könnte. In diesem Hain, wo die unsichtbaren Geister der Toten umherwehen, finde ich ihn nicht wieder.
    Er merkte, daß es ihm schwerfiel, sich genau zu erinnern, wie Rydberg ausgesehen hatte. Er stirbt auch in mir langsam ab, dachte er. Bald ist auch die Erinnerung zu Staub zerfallen.
    Er stand auf, von Unbehagen erfüllt. Das brennende Mädchen lief ununterbrochen in seinem Kopf. Er fuhr auf direktem Weg ins Polizeipräsidium, ging in sein Büro und schloß die Tür. Um halb acht zwang er sich, die Zusammenfassung über die Ermittlung mit den gestohlenen Autos abzuschließen, die er Svedberg übergeben wollte. Er legte die Mappen auf den Fußboden, damit sein Schreibtisch vollkommen leer war.
    Er hob die Schreibunterlage an, um zu sehen, ob er dort Merkzettel vergessen hatte. Statt dessen fand er ein Rubbellos. Er rubbelte die Zahlen mit einem Lineal frei und sah, daß er fünfundzwanzig Kronen gewonnen hatte. Vom Flur her hörte er Martinssons Stimme, kurz darauf auch die von Ann-Britt Höglund. Er lehnte sich im Stuhl zurück, legte die Füße auf den Schreibtisch und schloß die Augen. Als er aufwachte, hatte er einen Krampf in einem Wadenmuskel. Er hatte höchstens zehn Minuten geschlafen. Im selben Augenblick klingelte das Telefon. Es war Per Åkeson von der Staatsanwaltschaft. Sie begrüßten sich und wechselten ein paar Worte über das Wetter. In den vielen Jahren, die sie schon zusammenarbeiteten, hatten sie langsam ein Verhältnis zueinander entwickelt, das keiner von ihnen ansprach, aber sie wußten beide, daß es Freundschaft war. Es kam häufig vor, daß sie sich nicht einig waren, ob eine Festnahme begründet oder |54| eine Wiederverhaftung vertretbar war. Aber da war auch etwas anderes, ein Vertrauen, das tiefer reichte, auch wenn sie fast nie privat miteinander verkehrten.
    »Ich lese hier in der Zeitung von einem Mädchen, das draußen bei Marsvinsholm auf einem Feld verbrannt ist«, sagte Per Åkeson. »Ist das etwas für mich?«
    »Es war Selbstmord«, antwortete Wallander. »Abgesehen von einem alten Bauern namens Salomonsson war ich der einzige Zeuge.«
    »Was um Himmels willen hast du denn da gemacht?«
    »Salomonsson hatte angerufen. Normalerweise hätten wir einen Streifenwagen hingeschickt. Aber die waren im Einsatz.«
    »Das

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