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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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haben, sollen sich fernhalten.«
    Dann dachte er, daß er ganz und gar nicht tun wollte, was er tun mußte. Am liebsten wäre er davongefahren und hätte den anderen die Verantwortung überlassen.
    Er ging allein aufs Feld. Die anderen standen hinter ihm und sahen zu. Er fürchtete sich vor dem, was er sehen würde, und hatte Angst, der Klumpen, der ihm im Magen saß, würde platzen.
    Er ging direkt auf sie zu. Ihre Arme waren in der ausgestreckten Bewegung erstarrt, in der er sie von den fauchenden Flammen umgeben gesehen hatte, bevor sie starb. Die Haare, das Gesicht und ihre Kleidung waren verbrannt. Nur ein verkohlter Körper war übrig, von dem noch immer Angst und Verlassenheit ausgingen. Wallander wandte sich um und ging über die schwarzgebrannte Erde zurück. Einen kurzen Moment lang fürchtete er, ohnmächtig zu werden.
    Die Kriminaltechniker machten sich im scharfen Licht der Scheinwerfer, in dem bereits die Nachtfalter schwärmten, an die Arbeit. Hansson hatte Salomonssons Küchenfenster geöffnet, um den abgestandenen Altmännergeruch herauszulassen. Sie zogen die Küchenstühle vor und setzten sich um den Tisch. Auf Ann-Britt Höglunds Vorschlag hin erlaubten sie sich, auf Salomonssons uraltem Herd Kaffee zu machen.
    »Er hat nur Kochkaffee«, sagte sie, nachdem sie Schränke und Kästen durchsucht hatte. »Wollt ihr den?«
    »Wenn er nur stark ist«, sagte Wallander.
    An der Wand neben den alten Küchenschränken hing eine altertümliche Uhr. Wallander entdeckte plötzlich, daß sie stehengeblieben war. Er erinnerte sich, daß er schon einmal, bei Baiba in Riga, eine solche Uhr gesehen hatte und daß auch darauf die Zeiger stillgestanden hatten. Etwas bleibt stehen, dachte er. Als ob die Zeiger versuchten, die Geschehnisse, die noch nicht eingetroffen waren, dadurch zu beschwören, daß sie stehenblieben. Baibas Mann wurde in einer kalten Nacht im Hafen von Riga hingerichtet. |46| Ein einsames Mädchen taucht wie eine Schiffbrüchige in einem Meer von Raps auf und nimmt Abschied vom Leben, indem sie sich den entsetzlichsten Schmerz zufügt, dem ein Mensch sich aussetzen kann.
    Er dachte, daß sie sich selbst angezündet hatte, als sei sie ihr eigener Feind gewesen. Nicht ihm, dem Polizisten, der mit den Armen fuchtelte, hatte sie entkommen wollen.
    Sich selbst hatte sie entkommen wollen.
    Er wurde durch das Schweigen am Tisch aus seinen Gedanken gerissen. Sie sahen ihn an und erwarteten, daß er die Initiative ergriff. Durch das Fenster konnte er die Kriminaltechniker erkennen, die im Licht der Scheinwerfer um den toten Körper herumkrochen. Ein Blitzlicht flammte auf, danach noch eins.
    »Hat jemand nach dem Leichenwagen telefoniert?« fragte Hansson plötzlich.
    Wallander war es, als habe jemand mit einem Vorschlaghammer gegen seine Trommelfelle geschlagen. Hanssons ganz einfache und sachliche Frage brachte ihn zurück in die Wirklichkeit, vor der er am liebsten geflohen wäre.
     
    Die Bilder flimmerten hinter seiner Stirn vorbei, durch die verwundbarsten Teile seines Gehirns. Er stellte sich vor, daß er durch den schönen schwedischen Sommer fuhr. Barbara Hendricks Stimme war stark und klar. Dann sieht er ein Mädchen in einem tiefen Rapsfeld scheuen wie ein ängstliches Tier. Von nirgendwoher kommt die Katastrophe. Etwas, was nicht geschehen sollte, geschieht.
    Ein Leichenwagen ist unterwegs, um den Sommer abzuholen.
     
    »Prytz weiß, was er tun muß«, sagte Martinsson, und jetzt fiel Wallander ein, daß das der Name des Krankenwagenfahrers war, auf den er vorhin nicht gekommen war.
    Er sah ein, daß er etwas sagen mußte. »Was wissen wir?« begann er zögernd, als leiste jedes Wort ihm Widerstand. »Ein älterer alleinstehender Landwirt, der Frühaufsteher ist, entdeckt eine |47| fremde Frau in seinem Rapsfeld. Er versucht, sie anzurufen, möchte, daß sie verschwindet, weil er nicht will, daß sie seinen Raps niedertrampelt. Sie versteckt sich, um wieder aufzutauchen, ein übers andere Mal. Spät am Nachmittag ruft er uns an. Ich fahre hier heraus, weil unsere Streifenwagen bei Verkehrsunfällen im Einsatz sind. Mir fällt es, um es genau so zu sagen, wie es war, schwer, ihn ernst zu nehmen. Ich beschließe, wieder wegzufahren und mit dem Sozialdienst Kontakt aufzunehmen, weil Salomonsson auf mich einen verwirrten Eindruck macht. Da taucht plötzlich die Frau im Raps wieder auf. Ich versuche, Kontakt mit ihr aufzunehmen, aber sie zieht sich zurück. Danach hebt sie einen Plastikkanister

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