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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Stimmung im Raum war einen Augenblick lang sehr gedrückt. Keinem entging die Spannung, die zwischen den beiden Männern entstanden war. Im Normalfall hätte Wallander nicht gezögert, sich offen mit Åkeson anzulegen. Doch an diesem Abend |164| zog er es vor nachzugeben, vor allem, weil er sehr müde war und wußte, daß er die Sitzung noch viele Stunden in Gang halten mußte.
    »Ich stimme zu«, sagte er nur. »Wir streichen die Schlußfolgerung und begnügen uns damit, daß sie vermutlich geplant sind.«
    »Schon morgen kommt ein Psychologe aus Stockholm«, sagte Hansson. »Ich hole ihn selbst in Sturup ab. Hoffentlich kann er uns helfen.«
    Wallander nickte. Dann stellte er eine Frage, die er eigentlich nicht vorbereitet hatte. Aber jetzt war die Gelegenheit günstig. »Der Mörder«, sagte er. »Laßt uns der Einfachheit halber davon ausgehen, daß er ein Mann und daß er allein ist. Was seht ihr vor euch? Was denkt ihr?«
    »Stark«, sagte Nyberg. »Die Schläge mit der Axt sind mit gewaltiger Kraft geführt worden.«
    »Mich erschreckt, daß er Trophäen sammelt«, sagte Martinsson. »So etwas tut nur ein Geisteskranker.«
    »Oder jemand, der uns mit den Skalpen auf die falsche Fährte locken will«, sagte Wallander.
    »Ich habe gar keine Ansicht«, sagte Ann-Britt Höglund. »Aber es muß sich wirklich um einen sehr gestörten Menschen handeln.«
    Die Frage nach dem Täter blieb schließlich in der Luft hängen. Wallander brachte alle dazu, sich noch ein letztes Mal zu konzentrieren; sie planten die weitere Ermittlungsarbeit und verteilten die Aufgaben. Gegen Mitternacht brach Per Åkeson auf, nachdem er erklärt hatte, bei der Beschaffung von Verstärkung für die Ermittlungsgruppe behilflich zu sein, wenn dies als notwendig angesehen wurde. Obwohl alle jetzt am Rande der völligen Erschöpfung waren, ging Wallander die nächsten Schritte der Ermittlung noch einmal durch.
    »Keiner von uns wird in den nächsten Tagen besonders viel Schlaf bekommen«, sagte er am Schluß. »Außerdem ist mir klar, daß in der Urlaubsplanung das Chaos ausbricht. Aber wir müssen mit allen Kräften arbeiten, die wir haben. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
    »Wir brauchen Verstärkung«, sagte Hansson.
    |165| »Laß uns darüber am Montag entscheiden«, sagte Wallander. »Laß uns bis dahin warten.«
    Sie beschlossen, sich erst am Nachmittag des folgenden Tages zu treffen. Bis dahin sollten Wallander und Hansson ein Gespräch mit dem Psychologen aus Stockholm führen. Dann trennten sie sich und zerstreuten sich in verschiedene Richtungen.
    Wallander blieb bei seinem Wagen stehen und blickte zum fahlen Nachthimmel auf.
    Er versuchte an seinen Vater zu denken.
    Aber immer kam etwas dazwischen.
    Die Angst davor, daß ein unbekannter Täter von neuem zuschlagen würde.

|166| 14
    Um sieben Uhr früh am Sonntag, dem 26.   Juni, klingelte es an Wallanders Wohnungstür in der Mariagatan. Er wurde aus dem Tiefschlaf gerissen und glaubte zunächst, das Telefon habe geklingelt. Erst als es zum zweitenmal an der Tür klingelte, sprang er aus dem Bett, suchte seinen Bademantel, der halb unter dem Bett lag, und ging in den Flur, um zu öffnen. Vor der Tür stand seine Tochter Linda mit einer Freundin, die Wallander noch nie gesehen hatte. Er erkannte auch seine eigene Tochter kaum wieder, die ihr langes blondes Haar abgeschnitten und nur noch kurze Stoppeln hatte, die außerdem noch rot gefärbt waren. Doch vor allem empfand er Erleichterung und Freude darüber, sie wiederzusehen. Er bat sie herein und begrüßte Lindas Freundin, die sich als Kajsa vorstellte. Wallander war voller Fragen. Nicht zuletzt war er neugierig zu erfahren, wieso sie an einem Sonntagmorgen um sieben Uhr bei ihm klingelten. Gab es wirklich so früh schon Zugverbindungen? Linda erklärte, daß sie bereits am Abend zuvor angekommen waren, aber die Nacht bei einer Schulkameradin verbracht hatten, deren Eltern verreist waren. Sie würden dort auch in der nächsten Woche wohnen. Sie kamen so früh, weil Linda, nachdem sie an den Tagen vor Mittsommer die Zeitungen gelesen hatte, sich dachte, daß es sehr schwer werden würde, ihren Vater überhaupt zu erreichen. Wallander machte ihnen aus den Resten, die er im Kühlschrank fand, Frühstück. Als sie am Küchentisch saßen, erfuhr er, daß sie eine Woche damit verbringen wollten, einen Bühnenauftritt einzuüben, dessen Text sie selbst verfaßt hatten. Danach würden sie nach Gotland fahren und an einem Theaterkurs

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