Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
immer etwas Unerwartetes seine Pläne durcheinanderbrachte. Wenn er die Hälfte dessen schaffte, was er sich vorgenommen hatte, konnte er zufrieden sein. Um neun Uhr holte er sich Kaffee und ging in eines der kleineren Besprechungszimmer, wo Hansson mit dem Psychologen aus Stockholm wartete. Der Mann war um die Sechzig und stellte sich als Mats Ekholm vor. Er hatte einen kräftigen Händedruck und Wallander bekam sogleich einen positiven Eindruck von ihm. Wie viele andere Polizeibeamte hatte Wallander früher große Zweifel gehabt, ob Psychologen überhaupt etwas Sinnvolles zu einer laufenden Verbrechensermittlung beitragen konnten. Nicht zuletzt durch Gespräche mit Ann-Britt Höglund hatte er eingesehen, daß seine negative Einstellung unbegründet und möglicherweise ein Vorurteil war. Als er jetzt mit Mats Ekholm an einem Tisch saß, war er entschlossen, ihm wirklich eine Chance zu geben, zu zeigen, was er konnte.
    Das Material der Ermittlung lag vor ihnen auf dem Tisch.
    »Ich habe gelesen, soviel ich konnte«, sagte Mats Ekholm. »Ich schlage vor, wir fangen damit an, über das zu sprechen, was nicht in den Papieren steht.«
    »Da steht aber alles«, sagte Hansson erstaunt. »Wenn Polizisten eins gelernt haben, dann Rapporte zu schreiben.«
    »Ich glaube, du willst wissen, was wir denken«, unterbrach ihn Wallander. »Oder?«
    Mats Ekholm nickte. »Es gibt eine psychologische Grundregel, die besagt, daß Polizisten nie nach etwas Abstraktem suchen«, sagte er. »Wenn man nicht weiß, wie ein Täter aussieht, setzt man einen Stellvertreter ein. Jemanden, von dem die meisten Polizisten nur den Rücken zu sehen glauben. Aber oft verhält es sich so, daß dieses Phantombild Ähnlichkeiten mit dem Täter hat, der am Ende ergriffen wird.«
    Wallander erkannte seine eigenen Reaktionen in Ekholms Beschreibung wieder. In seinem Kopf trug er stets die Projektion eines Verbrechers, solange die Ermittlung andauerte. Er suchte nie ein leeres Bild.
    »Zwei Morde sind verübt worden«, fuhr Mats Ekholm fort. |170| »Die Vorgehensweise ist die gleiche, auch wenn es gewisse interessante Unterschiede gibt. Gustaf Wetterstedt ist von hinten getötet worden. Der Mörder hat ihn in den Rücken geschlagen, nicht in den Kopf. Was auch interessant ist. Er hat die schwierigere Alternative gewählt. Oder kann es sein, daß er Wetterstedts Kopf nicht zerschmettern wollte? Nach der Tat schneidet er ihm den Skalp ab und nimmt sich Zeit, den Körper zu verstecken. Wenn wir zu dem, was mit Carlman passierte, übergehen, können wir leicht Unterschiede, aber auch Ähnlichkeiten erkennen. Auch Carlman wird erschlagen. Auch ihm wird ein Stück vom Skalp abgeschnitten. Aber er wird direkt von vorne getötet. Er muß den Mann gesehen haben, der ihn tötete. Der Täter hat außerdem einen Zeitpunkt gewählt, zu dem sich eine große Anzahl von Personen in der Nähe befindet. Das Risiko, entdeckt zu werden, ist also relativ groß. Er macht sich nicht die Mühe, den Körper zu verbergen. Er sieht ein, daß das auch kaum möglich ist. Die erste Frage, die man sich stellen kann, ist einfach: Was ist wichtiger? Die Ähnlichkeiten oder die Unterschiede?«
    »Er tötet«, sagte Wallander. »Er hat sich zwei Personen ausgesucht. Er plant. Er muß mehrmals den Strand hinter Wetterstedts Haus besucht haben. Er hat sich sogar die Zeit genommen, eine Glühbirne herauszuschrauben, damit das Stück Strand zwischen dem Garten und dem Meer im Dunkeln liegt.«
    »Wissen wir, ob Gustaf Wetterstedt die Gewohnheit hatte, einen Abendspaziergang am Strand zu machen?« fragte Mats Ekholm.
    »Nein«, sagte Wallander. »Das wissen wir praktisch nicht. Aber wir sollten es natürlich herausfinden.«
    »Führe deinen Gedankengang zu Ende«, sagte Ekholm.
    »Auf den ersten Blick sieht das Muster bei Carlman ganz anders aus«, sagte Wallander. »Umgeben von Menschen auf einem Mittsommerfest. Aber vielleicht hat der Mörder das gar nicht so gesehen? Vielleicht dachte er, daß er die Einsamkeit nutzen könnte, die auch immer Bestandteil eines Fests ist. Daß am Ende niemand irgend etwas sieht? Es ist nie so schwer, Einzelheiten in Erfahrung zu bringen, wie wenn viele Menschen in einer großen Versammlung sich zu erinnern versuchen.«
    |171| »Um darauf eine Antwort geben zu können, müssen wir untersuchen, welche Alternativen er gehabt hätte«, sagte Ekholm. »Arne Carlman war ein Geschäftsmann, der viel unterwegs war. Ständig von Menschen umgeben. Vielleicht war das Fest

Weitere Kostenlose Bücher