Wallander 06 - Die fünfte Frau
ein Menschenkopf war. Es ist ein ausführlicher Brief vom Ethnographischen Museum in Stockholm gekommen. Ich verstehe ungefähr die Hälfte von dem, was sie schreiben. Aber am wichtigsten ist, daß sie jetzt sicher sind, daß er aus Belgisch-Kongo kommt. Oder Zaire, wie es heute heißt. Sie schätzen das Alter auf zwischen vierzig und fünfzig Jahre.«
»Das kommt ja hin mit der Zeit«, sagte Wallander.
»Das Museum ist daran interessiert, ihn zu übernehmen.«
»Das müssen die entscheiden, die nach Ende der Ermittlungen dafür zuständig sind.«
Nyberg sah Wallander plötzlich auffordernd an. »Kriegen wir die, die das getan haben?«
»Wir müssen.«
Nyberg nickte, ohne noch mehr zu sagen.
»Du hast ›die‹ gesagt. Früher, wenn ich dich gefragt habe, sagtest du, daß es wohl nur ein Täter wäre.«
»Habe ich ›die‹ gesagt?«
|274| »Ja.«
»Ich glaube immer noch, daß es eine Person gewesen ist. Aber ich kann nicht erklären, warum ich das glaube.«
Wallander wandte sich zum Gehen. Nyberg hielt ihn zurück. »Wir haben bei diesem Postversand Secur in Borås herausgefunden, was Gösta Runfelt da gekauft hatte. Abgesehen von dieser letzten Abhörausrüstung und dem Magnetpinsel hat er dreimal was bei denen bestellt. Die Firma existiert noch nicht lange. Er hat ein Nachtglas gekauft, ein paar Taschenlampen und Kleinigkeiten, die bedeutungslos sind. Nichts Ungesetzliches übrigens. Die Taschenlampen haben wir in der Harpegatan gefunden. Aber das Nachtglas war weder da noch in der Västra Vallgatan.«
Wallander überlegte. »Kann er es in den Koffer gepackt haben, um es mit nach Nairobi zu nehmen? Sieht man sich nachts Orchideen an?«
»Jedenfalls haben wir es nicht gefunden«, sagte Nyberg.
Wallander ging in sein Zimmer. Er hatte vor, sich eine Tasse Kaffee zu holen, besann sich aber anders. Er setzte sich an den Schreibtisch und las noch einmal durch, was er im Auto auf der Fahrt von Malmö hierher geschrieben hatte. Er suchte nach den Ähnlichkeiten und nach dem, was die beiden Mordfälle unterschied. Beide Opfer waren in unterschiedlicher Weise als brutal beschrieben worden. Holger Eriksson hatte seine Angestellten schlecht behandelt, während Gösta Runfelt seine Frau mißhandelt hatte. Darin lag eine Ähnlichkeit. Sie waren beide auf ausgeklügelte Art und Weise ermordet worden. Wallander war noch immer überzeugt, daß Runfelt gefangengehalten worden war. Es gab keine andere plausible Erklärung für sein langes Verschwinden. Eriksson war dagegen direkt in seinen Tod gelaufen. Da war ein Unterschied. Aber Wallander fand auch, daß eine Ähnlichkeit vorlag, wenn auch undeutlich und schwer zu fassen. Warum war Runfelt gefangengehalten worden? Warum hatte der Täter damit gewartet, ihn zu töten? Die Antwort auf diese Frage konnte von vielen verschiedenen Möglichkeiten ausgehen. Aus irgendeinem Grund wollte der Täter warten. Was wiederum neue Fragen aufwarf. Konnte es daran liegen, daß der Täter keine Möglichkeit hatte, ihn sofort zu töten? Falls ja, warum nicht? Oder war es ein |275| Teil des Mordplans, Runfelt gefangenzuhalten, ihn hungern zu lassen, bis er kraftlos war?
Das einzige Motiv, das Wallander wiederum vor sich sehen konnte, war Rache. Aber Rache wofür? Sie hatten noch keine handfeste Spur.
Wallander ging zum Täter über. Sie hatten davon gesprochen, daß es vermutlich ein einzelner, sehr kräftiger Mann war. Sie konnten sich natürlich irren, doch Wallander glaubte es nicht. Etwas an der Planung des Ganzen deutete auf einen Einzeltäter hin. Die gute Planung war eine der Voraussetzungen. Wäre der Täter nicht allein, könnte die Planung längst nicht so detailliert sein.
Wallander lehnte sich zurück. Er versuchte, die dumpfe Unruhe, die in ihm rumorte, zu deuten. Es war da etwas, was er nicht erkannte. Oder völlig falsch deutete. Er kam nur nicht darauf, was es war.
Nach ungefähr einer Stunde holte Wallander sich den Kaffee, auf den er zuvor verzichtet hatte. Dann rief er den Optiker an, der vergebens auf seinen Besuch gewartet hatte. Wallander erhielt keinen neuen Termin. Er solle kommen, wann er wolle. Nachdem er zweimal seine Jacke durchsucht hatte, fand Wallander den Zettel mit der Telefonnummer der Autowerkstatt in Älmhult in einer Hosentasche. Die Reparatur würde sehr teuer werden. Aber Wallander hatte keine Alternative, wenn er noch etwas für das Auto bekommen wollte, falls er es verkaufte.
Anschließend rief er Martinsson an.
»Ich wußte nicht, daß du
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