Wallander 06 - Die fünfte Frau
gesagt, daß sie ihren Mann tot im Krageholmssjön gefunden hatten. Nichts davon, was geschehen war. Das würde Wallanders Aufgabe sein.
»Der Krageholmssjön liegt im Polizeidistrikt von Ystad«, sagte Birch. »Deshalb ist einer der Kollegen von dort hergekommen. Er heißt Kurt Wallander.«
Kristina Blomberg blickte auf. Sie erinnerte Wallander an jemanden. Aber ihm fiel nicht ein, an wen.
»Ich kenne Ihr Gesicht«, sagte sie. »Ich muß Sie in der Zeitung gesehen haben.«
»Das ist nicht unmöglich«, sagte Wallander und setzte sich auf einen Stuhl ihr gegenüber. Birch hatte inzwischen Wallanders Position im Hintergrund eingenommen.
Das Haus war sehr still. Geschmackvoll möbliert. Aber wirklich |358| sehr still. Wallander fiel ein, daß er noch nicht wußte, ob es Kinder in der Familie gab.
Das war auch seine erste Frage.
»Nein«, sagte sie. »Wir haben keine Kinder.«
»Auch nicht aus früheren Ehen?«
Wallander bemerkte sofort ihre Unsicherheit. Sie zögerte mit der Antwort, kaum merkbar zwar, aber er nahm es wahr.
»Nein«, sagte sie. »Soweit ich weiß, nicht. Und nicht von mir.«
Wallander wechselte einen Blick mit Birch, der auch ihr Zögern angesichts einer Frage bemerkt hatte, die eigentlich nicht schwer zu beantworten war. Wallander ging langsam weiter. »Wann haben Sie Ihren Mann zuletzt gesehen?«
»Er machte gestern abend einen Spaziergang. Das tat er immer.«
»Wissen Sie, welchen Weg er ging?«
Sie schüttelte den Kopf. »Er war oft über eine Stunde draußen. Wohin er ging, weiß ich nicht.«
»War gestern abend alles wie immer?«
»Ja.«
Wallander ahnte wieder den Schatten von Unsicherheit in ihrer Antwort. Er fuhr vorsichtig fort. »Er kam also nicht zurück? Was haben Sie dann gemacht?«
»Um zwei Uhr in der Nacht habe ich die Polizei angerufen.«
»Aber konnte er nicht jemanden besucht haben?«
»Er hatte sehr wenige Freunde. Die habe ich angerufen, bevor ich bei der Polizei anrief. Da war er nicht.«
Sie blickte ihn an. Immer noch gefaßt. Wallander sah ein, daß er nicht länger warten konnte. »Ihr Mann ist also tot im Krageholmssjön gefunden worden. Wir haben festgestellt, daß er ermordet wurde. Es tut mir leid, was geschehen ist. Aber ich muß es sagen, wie es ist.«
Wallander betrachtete ihr Gesicht. Sie ist nicht erstaunt, dachte er. Weder darüber, daß er tot ist, noch darüber, daß er ermordet wurde.
»Es ist natürlich wichtig, daß wir den oder die Täter fassen. Haben Sie einen Verdacht, wer es sein könnte? Hatte Ihr Mann Feinde?«
|359| »Ich weiß nicht«, antwortete sie. »Ich kannte meinen Mann sehr schlecht.«
Wallander überlegte, bevor er fortfuhr. Ihre Antwort beunruhigte ihn. »Ich bin nicht sicher, wie ich diese Antwort verstehen soll«, sagte er.
»Ist das so schwer? Einmal, vor langer Zeit, glaubte ich, ihn zu verstehen. Aber das war damals.«
»Was ist geschehen? Was hat sich verändert?«
Sie schüttelte den Kopf. Wallander spürte, wie etwas, das er als Bitterkeit interpretierte, in ihr aufstieg. Er wartete.
»Nichts ist geschehen«, sagte sie. »Wir haben uns auseinandergelebt. Wir wohnen im gleichen Haus. Aber wir haben getrennte Zimmer. Er lebt sein Leben. Ich lebe meins.«
Dann verbesserte sie sich. »Er hat sein Leben gelebt. Ich lebe meins.«
»Wenn ich recht verstanden habe, war er Forscher an der Universität?«
»Ja.«
»Milchallergien, stimmt das?«
»Ja.«
»Arbeiten Sie auch da?«
»Ich bin Lehrerin.«
Wallander nickte. »Sie wissen also nicht, ob Ihr Mann irgendwelche Feinde hatte?«
»Nein.«
»Und wenige Freunde?«
»Ja.«
»Sie können sich also niemanden vorstellen, der ihn hätte umbringen wollen? Und warum?«
Ihr Gesicht war hart angespannt. Wallander hatte das Gefühl, als sehe sie direkt durch ihn hindurch. »Niemand außer mich selbst«, antwortete sie. »Aber ich habe ihn nicht umgebracht.«
Wallander sah sie lange an, ohne etwas zu sagen. Birch war an seine Seite getreten. »Warum hätten Sie ihn umbringen können?« fragte er.
Sie stand vom Stuhl auf und zerrte sich so heftig die Bluse herunter, daß sie zerriß. Es ging so schnell, daß Wallander und Birch |360| nicht verstanden, was geschah. Dann hielt sie ihnen ihre Arme hin. Sie waren mit Narben übersät. »Das hier hat er mir angetan«, sagte sie. »Und noch vieles andere, von dem ich gar nicht reden will.«
Sie verließ das Zimmer mit der zerrissenen Bluse in der Hand. Wallander und Birch sahen sich an.
»Er hat sie mißhandelt«,
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