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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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gefaßt, die einen Mord begangen hatte. Vor dem Amtsgericht war es später als Totschlag gewertet worden. Eine Frau in mittleren Jahren hatte ihren Bruder getötet. Er hatte sie verfolgt und gequält, seit sie Kinder waren. Schließlich hatte sie es nicht mehr ausgehalten und ihn mit seiner eigenen Schrotflinte erschossen. Eigentlich hatte sie ihn nicht treffen, sondern nur erschrecken wollen. Aber sie war eine schlechte Schützin. Sie hatte ihn mitten in die Brust geschossen, und er war sofort tot. Bei allen anderen Gelegenheiten, die Wallander sich in Erinnerung rief, hatten die Frauen impulsiv und in Notwehr Gewalt angewendet. Bei den Opfern handelte es sich um ihre eigenen Männer oder um Männer, die sie vergeblich abzuweisen versucht hatten. In vielen Fällen war Alkohol mit im Spiel gewesen.
    Niemals hatte er erlebt, daß eine Frau geplant hatte, eine Gewalttat zu begehen. Zumindest nicht nach einem sorgfältig ausgedachten Plan.
    Er stand auf und trat ans Fenster.
    Warum konnte er trotzdem den Gedanken nicht loswerden, daß diesmal eine Frau in die Sache verwickelt war?
    Er fand keine Antwort. Er wußte nicht einmal, ob er glaubte, daß es eine Frau allein oder eine Frau zusammen mit einem Mann war.
    Nichts sprach für das eine oder das andere.
    Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Martinsson an seiner Tür klopfte. »Die Übersicht ist bald klar«, sagte er.
    Wallander verstand nicht, was er meinte. Er steckte tief in seinen eigenen Gedanken. »Welche Übersicht?«
    »Die Übersicht über vermißt gemeldete Personen«, antwortete Martinsson erstaunt.
    Wallander nickte. »Dann versammeln wir uns«, sagte er und schob Martinsson vor sich in den Korridor.
    Als sie die Tür des Sitzungszimmers hinter sich geschlossen hatten, fühlte er, daß die Kraftlosigkeit verschwunden war. Gegen |352| seine Gewohnheit blieb er an einer der Schmalseiten des Tisches stehen. Normalerweise setzte er sich. Jetzt war es, als habe er nicht einmal dafür Zeit.
    »Was haben wir?« fragte er.
    »In Ystad in den letzten Wochen keine Vermißtenmeldungen«, sagte Svedberg. »Die, nach denen wir seit längerem suchen, passen nicht zu dem Toten, den wir im Krageholmssjön gefunden haben. Ein paar weibliche Teenager und ein Junge, der aus einem Flüchtlingslager abgehauen ist. Er hat vermutlich das Land verlassen und ist auf dem Weg zurück in den Sudan.«
    Wallander dachte an Per Åkesson. »Dann wissen wir das«, sagte er nur. »Und die anderen Distrikte?«
    »Wir überprüfen ein paar Fälle in Malmö«, sagte Ann-Britt Höglund. »Aber die passen auch nicht. In einem Fall könnte das Alter passen. Aber es ist ein Mann aus Süditalien, der verschwunden ist. Der, den wir gefunden haben, sieht nicht italienisch aus.«
    Sie gingen die Anzeigen durch, die in den nächstliegenden Distrikten eingegangen waren. Wallander wußte, daß sie notfalls landesweit und sogar im übrigen Skandinavien suchen mußten. Sie konnten nur hoffen, daß der Mann aus der Nähe von Ystad stammte.
    »Lund hat gestern abend spät eine Vermißtenanzeige reinbekommen«, sagte Hansson. »Eine Frau rief an und meldete, daß ihr Mann von einem Abendspaziergang nicht zurückgekommen sei. Das Alter könnte stimmen. Er war Forscher an der Universität.«
    Wallander schüttelte zweifelnd den Kopf »Ich bin skeptisch«, sagte er. »Aber wir müssen es natürlich kontrollieren.«
    »Sie sind dabei, ein Foto zu beschaffen«, fuhr Hansson fort. »Sie faxen es her, sobald sie es haben.«
    Wallander hatte die ganze Zeit gestanden. Jetzt setzte er sich. Im gleichen Augenblick betrat Per Åkesson den Raum. Wallander wäre am liebsten darum herumgekommen, ihn dabeizuhaben. Es war nie leicht, eine Zusammenfassung zu machen, die beinhaltete, daß sie eigentlich auf der Stelle traten. Die Ermittlung steckte mit allen Rädern in tiefem Schlamm fest. Sie bewegte sich weder vor noch zurück.
    Und jetzt hatten sie noch ein Opfer.
    |353| Wallander fühlte sich mies. Als sei es seine persönliche Verantwortung, daß sie nichts hatten, woran sie sich halten konnten. Trotzdem wußte er, daß sie so hart und zielbewußt gearbeitet hatten, wie sie nur konnten. Die Polizeibeamten, die hier im Raum saßen, waren kompetent und engagiert.
    Wallander bezwang seine Irritation über Per Åkessons Anwesenheit. »Du kommst gerade recht«, sagte er statt dessen. »Ich wollte jetzt versuchen, den Stand der Ermittlungen zusammenzufassen.«
    »Gibt es überhaupt einen Stand der Ermittlungen?« fragte

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