Wallander 06 - Die fünfte Frau
sich mit den Tatorten von Verbrechen messen konnten.
|455| Sie breiteten die Karte auf der Motorhaube von Nybergs Wagen aus und sammelten sich darum.
»1967 sah der zum Hof gehörende Besitz anders aus«, sagte Hansson und zeigte auf die Karte. »Erst Mitte der siebziger Jahre hat Eriksson das ganze Land gekauft, das südlich von hier liegt.«
Wallander sah, daß dies zwar die Fläche, die in Frage kam, um ein Drittel reduzierte. Es war aber dennoch unmöglich, sich durch das ganze Gelände zu graben. Sie mußten mit anderen Methoden die Stelle finden. »Der Nebel spielt uns einen Streich«, sagte er. »Ich hatte gehofft, wir könnten uns einen Überblick über das Gelände verschaffen. Es muß möglich sein, gewisse Teile auszuschließen. Ich gehe davon aus, daß man den Platz, wo man jemanden vergräbt, den man getötet hat, nicht dem Zufall überläßt.«
»Man wählt wohl eine Stelle, von der man glaubt, daß da garantiert keiner sucht«, sagte Nyberg. »Es gibt eine Untersuchung darüber. Aus den USA natürlich. Aber es klingt wahrscheinlich.«
»Das Gelände ist groß«, sagte Hamrén.
»Deshalb müssen wir es als erstes kleiner machen«, sagte Wallander. »Es stimmt, was Nyberg sagt. Ich bezweifle, daß Holger Eriksson – wenn er Krista Haberman nun ermordet hat – sie einfach irgendwo vergraben hat. Ich stelle mir zum Beispiel vor, daß man nicht gern eine Leiche direkt vor der Haustür unter der Erde liegen hat. Es sei denn, man ist völlig verrückt. Worauf bei Holger Eriksson nichts hindeutet.«
»Außerdem ist da Kopfsteinpflaster«, sagte Hansson. »Den Hofplatz können wir schon mal ausschließen.«
Sie gingen auf den Hof. Wallander überlegte, ob sie nach Ystad zurückkehren und ein andermal wiederkommen sollten, wenn es nicht neblig war. Da es windstill war, konnte der Nebel den ganzen Tag liegenbleiben. Er beschloß, daß sie trotz allem eine Stunde damit verbringen konnten, sich einen Überblick zu verschaffen.
Sie gingen in den großen Garten auf der Rückseite des Hauses. Der nasse Boden war mit verfaulten Äpfeln übersät. Eine Elster flatterte von einem Baum auf. Sie blieben stehen und blickten sich um. Hier auch nicht, dachte Wallander. Ein Mann in der Stadt, der einen Mord begeht und nur seinen Garten hat, vergräbt vielleicht |456| eine Leiche zwischen Obstbäumen und Beerensträuchern. Aber nicht jemand, der auf dem Land wohnt.
Er sprach den Gedanken aus. Keiner hatte etwas einzuwenden. Sie gingen auf die Felder hinaus. Der Nebel war noch immer sehr dicht. Hasen tauchten schemenhaft auf und flitzten wieder davon. Sie gingen zuerst an die nördliche Grenze des Besitzes.
»Ein Hund würde natürlich nichts finden?« fragte Hamrén.
»Nicht nach siebenundzwanzig Jahren«, antwortete Nyberg.
Der Lehm klumpte unter ihren Stiefeln. Sie versuchten, auf dem schmalen ungepflügten Grasstreifen zu balancieren, der die Grenze von Erikssons Besitz markierte. Eine rostige Egge lag im Feld. Nicht nur der Auftrag drückte auf Wallanders Stimmung, sondern auch der Nebel und die graue, nasse Erde. Er liebte die Landschaft, in der er lebte und geboren war, aber der Herbst war nicht seine Jahreszeit. Zumindest nicht an Tagen wie diesem.
Sie kamen zu einem Teich, der in einer Senke lag. Hansson zeigte auf der Karte, wo sie sich befanden. Sie betrachteten den Teich. Er hatte einen Durchmesser von ungefähr hundert Metern.
»Der hier hat das ganze Jahr Wasser«, sagte Nyberg. »In der Mitte ist er sicher zwei bis drei Meter tief.«
»Das ist natürlich eine Möglichkeit«, sagte Wallander. »Daß man einen Körper mit Gewichten versenkt.«
»Oder einen Sack«, sagte Hansson. »Wie bei Eugen Blomberg.«
Wallander nickte. Da war wieder das Spiegelbild. Dennoch war er unsicher. Das sagte er auch.
»Ein Körper kann hochkommen. Versenkt Holger Eriksson eine Leiche in einem Teich, wenn er Tausende von Quadratmetern hat, um sie zu vergraben? Das kann ich mir schwer vorstellen.«
»Wer hat eigentlich diesen ganzen Boden bewirtschaftet?« fragte Hansson. »Doch bestimmt nicht er selbst. Er hat ihn verpachtet. Aber Land muß bearbeitet werden, sonst wächst es zu. Und dieser Boden hier ist gut gepflegt.«
Hansson war auf einem Bauernhof vor Ystad aufgewachsen und wußte, wovon er redete.
»Das ist eine wichtige Frage«, sagte Wallander. »Das müssen wir rausfinden.«
|457| »Das kann uns auch eine andere Frage beantworten«, sagte Hamrén. »Ob es eine Veränderung des Landes gegeben hat. Ein
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