Wallander 06 - Die fünfte Frau
wäre, den roten Golf aufzuspüren. Wie viele rote Golfs gab es eigentlich in Schweden?
»Eine Frau mit einem neugeborenen Kind kann nicht spurlos verschwinden«, sagte Wallander zum Schluß. »Ich glaube, es ist das beste, wir üben uns in Geduld. Wir müssen mit dem arbeiten, was wir in Händen haben.«
Er sah Hansson und Hamrén an. »Krista Habermans Verschwinden«, sagte er. »Vor siebenundzwanzig Jahren.«
Hansson nickte Hamrén zu.
»Du wolltest Details, was ihr eigentliches Verschwinden angeht«, sagte er. »Zum letztenmal sieht sie jemand in Svenstavik, am Dienstag, dem 22. Oktober 1967. Sie macht einen Spaziergang durch den Ort. Weil du dagewesen bist, kannst du das Ganze vor dir sehen. Daß sie spazierenging, war nichts Ungewöhnliches. Der letzte, der sie sieht, ist ein Waldarbeiter, der auf dem Fahrrad vom Bahnhof kommt. Das ist um fünf Uhr am Nachmittag. Es ist schon dunkel. Aber sie geht da, wo der Weg beleuchtet ist. Er ist sicher, daß sie es ist. Danach hat sie niemand mehr gesehen. Es gibt jedoch ein paar Zeugenaussagen, daß an dem Abend ein fremder Wagen durch den Ort gefahren ist. Das ist alles.«
Wallander saß schweigend da.
|453| »Hat sich jemand über die Automarke geäußert?« fragte er dann.
Hamrén suchte in seinen Papieren. Dann schüttelte er den Kopf und verließ den Raum. Als er zurückkam, hatte er einen weiteren Stoß Papiere in der Hand. Niemand sagte etwas. Schließlich fand er, was er suchte. »Einer der Zeugen, ein Landwirt namens Johansson, behauptet, daß es ein Chevrolet war. Ein dunkelblauer Chevrolet. Er war seiner Sache sicher. Es hatte früher in Svenstavik ein Taxi vom gleichen Typ gegeben. Allerdings war das hellblau.«
Wallander nickte. »Svenstavik und Lödinge liegen weit auseinander«, sagte er. »Aber wenn ich mich nicht ganz täusche, hat Holger Eriksson zu der Zeit Chevrolets verkauft.«
Es wurde still im Raum.
»Ich frage mich, ob es so sein kann, daß Holger Eriksson die lange Strecke nach Svenstavik gefahren ist«, fuhr er fort. »Und daß Krista Haberman mit ihm zurückgefahren ist.«
Wallander wandte sich an Svedberg. »Hatte Eriksson damals schon seinen Hof?«
Svedberg nickte bekräftigend.
Wallander sah sich am Tisch um. »Holger Eriksson ist in einer Pfahlgrube aufgespießt worden«, sagte er. »Wenn es stimmt, wie wir glauben, daß der Mörder seine Opfer auf eine Art und Weise umbringt, die früher begangene Untaten widerspiegelt, dann fürchte ich, daß wir an eine sehr unschöne Schlußfolgerung denken müssen.«
Er wünschte, daß er sich irrte. Aber er glaubte es nicht mehr. »Wir müssen anfangen, auf Holger Erikssons Grundstück zu suchen. Ich frage mich, ob Krista Haberman dort nicht irgendwo begraben liegt.«
Es war zehn Minuten vor elf. Mittwoch, der 19. Oktober.
|454| 32
Sie fuhren in der frühen Morgendämmerung zum Hof hinaus. Wallander hatte Nyberg, Hamrén und Hansson gebeten mitzukommen. Jeder fuhr für sich, Wallander in seinem eigenen Wagen, der aus Älmhult zurückgekommen war. Sie hielten in der Einfahrt zu dem unbewohnten Haus, das wie ein einsames und abgetakeltes Schiff dort draußen im Nebel lag.
Gerade an diesem Morgen, am Donnerstag, dem 20. Oktober, war der Nebel sehr dicht. Er war spät in der Nacht vom Meer hereingekommen und lag unbewegt über der schonischen Landschaft. Sie hatten sich für halb sieben verabredet. Aber sie waren alle verspätet, weil so gut wie keine Sicht war. Wallander kam als letzter. Als er aus dem Wagen stieg, dachte er, daß sie einer Jagdgesellschaft glichen, die sich sammelte. Das einzige, was ihnen fehlte, waren die Waffen. Es stand ihnen nichts Angenehmes bevor. Er ahnte, daß irgendwo auf Holger Erikssons Grundstück eine ermordete Frau begraben lag. Was sie auch finden würden, wenn sie überhaupt etwas fänden, wären Skeletteile. Nichts anderes. Siebenundzwanzig Jahre waren eine lange Zeit.
Er konnte sich auch sehr wohl irren. Seine Vorstellung von Krista Habermans Ende war vielleicht nicht kühn. Auch nicht absurd. Aber der Schritt zur Gewißheit war noch immer sehr groß.
Sie begrüßten sich fröstelnd. Hansson hatte ein Meßtischblatt vom Hof und dem dazugehörenden Land bei sich. Wallander durchzuckte der Gedanke, was man im Museum in Lund wohl sagen würde, wenn sie wirklich das Skelett einer ermordeten Frau fanden. Er dachte finster, daß das vermutlich die Anzahl der Besucher des Hofs ansteigen lassen würde. Es gab kaum Touristenattraktionen, die
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