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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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einen dunkelblauen Chevrolet und macht die weite Reise nach Jämtland. Hatte ihn eine Leidenschaft getrieben? Oder etwas anderes? Krista Haberman war eine schöne Frau. In dem umfangreichen Untersuchungsmaterial aus Östersund gab es ein Foto von ihr. War sie ihm freiwillig gefolgt? Das war anzunehmen. Sie reisen nach Schonen. Dann verschwindet sie. Holger Eriksson lebt allein. Er gräbt ein Grab. Sie ist unauffindbar. Die Ermittlung dringt nie bis zu ihm vor. Bis jetzt. Als Hansson den Namen Tandvall findet und ein früher nicht beachteter Zusammenhang erkennbar wird.
    Wallander merkte, daß er dastand und den leeren Hundezwinger anstarrte. Zunächst war ihm nicht bewußt, was er dachte. Das Bild von Krista Haberman verflüchtigte sich langsam. Er runzelte die Stirn. Warum hatte er keinen Hund gesehen? Niemand hatte bisher danach gefragt. Er selbst am wenigsten. Wann war der Hund weggebracht worden? Hatte das überhaupt eine Bedeutung? Fragen, auf die er eine Antwort haben wollte.
    Ein Auto bremste vor dem Haus. Kurz darauf kam ein Junge von kaum zwanzig Jahren auf den Hof. Er ging auf Wallander zu. »Sind Sie der Polizist, der den Schlüssel haben soll?«
    »Der bin ich.«
    Der Junge betrachtete ihn zweifelnd. »Und woher soll ich das wissen? Sie können doch irgend jemand sein.«
    Wallander war irritiert. Gleichzeitig sah er ein, daß die Skepsis des Jungen berechtigt war. Seine Hosenbeine waren bis hoch hinauf |462| lehmbespritzt. Er holte seinen Ausweis hervor. Der Junge nickte und gab ihm einen Schlüsselbund.
    »Ich sorge dafür, daß er nach Lund zurückkommt«, sagte Wallander.
    Der Junge nickte, er hatte es eilig. Wallander hörte das Auto mit durchdrehenden Reifen losfahren, während er den Schlüssel für die Haustür suchte. Er dachte unwillkürlich an das, was Jonas Hader über den roten Golf vor Katarina Taxells Haus gesagt hatte. Fuhren Frauen gewöhnlich nicht mit kreischenden Reifen los? Mona fuhr schneller als er. Baiba trat immer hart aufs Gas. Aber vielleicht startete keine der beiden so, daß die Reifen durchdrehten.
    Er öffnete die Tür, trat ins Haus und machte das Licht im Flur an. Er setzte sich auf einen Schemel und zog die lehmigen Stiefel aus. Als er in das große Zimmer kam, sah er zu seiner Verwunderung, daß das Gedicht über den Mittelspecht noch immer auf dem Schreibtisch lag. Der Abend des 21.   September. Morgen war genau ein Monat vergangen. Waren sie eigentlich einer Lösung näher gekommen? Sie hatten drei Morde aufzuklären. Eine Frau hatte ihre Wohnung verlassen. Eine andere Frau lag vielleicht in Holger Erikssons Acker vergraben.
    Der Nebel vor den Fenstern war noch immer sehr dicht. Er fühlte sich beklommen. Die Gegenstände im Raum schienen ihn zu betrachten. Er ging zur Wand, an der die beiden gerahmten Luftaufnahmen hingen. Er suchte in seinen Taschen nach der Brille. Gerade an diesem Morgen hatte er daran gedacht, sie mitzunehmen. Er setzte sie auf und beugte sich vor. Die eine Aufnahme war schwarzweiß, die andere in verblichenen Farben. Das Schwarzweißbild war von 1949, zwei Jahre bevor Holger Eriksson den Hof gekauft hatte. Die Farbaufnahme war von 1965.   Wallander zog eine Gardine zurück, um mehr Licht hereinzulassen. Plötzlich entdeckte er ein Reh, das zwischen den Bäumen im Garten äste. Es hob den Kopf und sah ihn an. Dann äste es ruhig weiter. Ein Gefühl sagte Wallander, daß er dieses Reh nie vergessen würde. Wie lange er dort stand und es betrachtete, wußte er nicht. Ein Geräusch, das er selbst nicht wahrnahm, ließ das Tier aufhorchen. Dann sprang es fort und verschwand. Wallander |463| blickte weiter durch das Fenster hinaus. Er wandte sich wieder den beiden Fotografien zu, die von der Firma »Flygfoto« aufgenommen waren. Zwischen ihnen lagen sechzehn Jahre. Das Flugzeug mit der Kamera war direkt von Süden gekommen. Alle Details waren sehr deutlich. 1965 hatte Eriksson seinen Turm noch nicht gebaut, aber der Hügel war da, ebenso der Graben. Wallander kniff die Augen zusammen, konnte aber keinen Steg entdecken. Er folgte den Konturen der Äcker. Das Bild war im Frühjahr entstanden. Die Äcker waren gepflügt, aber es wuchs noch nichts. Der Teich war deutlich zu sehen. Eine Baumgruppe stand neben einem schmalen Feldweg, der zwei der Äcker teilte. Er runzelte die Stirn; er konnte sich nicht an die Bäume erinnern. An diesem Morgen hatte er sie wegen des Nebels nicht gesehen, doch auch von seinen früheren Besuchen her waren sie ihm nicht in

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