Wallander 06 - Die fünfte Frau
tun hatten, saßen wir in der kleinen Küche im Speisewagen. Wir quatschten und blätterten in Zeitungen. Aber als ich zurückkam, taten wir das nicht mehr.«
»Sondern?«
»Sie ging weg.«
Wallander wartete auf eine Fortsetzung. Aber es kam keine.
»Sie verließ den Speisewagen? Sie kann ja kaum den Zug verlassen haben. Was sagte sie, was sie tun wolle?«
»Sie sagte nichts.«
|504| »Aber Sie müssen sie doch gefragt haben. Sie war verändert. Sie saßen nicht mehr zusammen und haben sich unterhalten?«
»Vielleicht habe ich gefragt. Das weiß ich nicht mehr. Aber sie hat nichts geantwortet. Sie ging einfach weg.«
»Passierte das ständig?«
»Nein. Die letzte Zeit, bevor sie aufhörte, wurde sie anders. Als ob sie sich verschlösse.«
»Glauben Sie, daß sie jemand getroffen hat? Einen Passagier, der jedesmal mitfuhr? Das klingt sehr merkwürdig.«
»Ich weiß nicht, ob sie jemand getroffen hat.«
Wallander hatte keine Fragen mehr. Er blickte Birch an. Der auch nichts hinzuzufügen hatte.
Das Flugboot verließ gerade den Hafen.
»Sie haben jetzt eine Pause«, sagte Wallander. »Ich möchte, daß Sie von sich hören lassen, falls Ihnen noch etwas einfällt.«
Er schrieb seinen Namen und die Telefonnummer auf einen Zettel und reichte ihn ihr.
»Mehr weiß ich nicht«, sagte sie.
Sie stand auf und ging.
»Wen trifft Katarina in einem Zug?« fragte Birch. »Einen Passagier, der ununterbrochen zwischen Malmö und Stockholm hin- und herpendelt? Außerdem bedienen sie doch sicher nicht die ganze Zeit in dem gleichen Zug? Das klingt sehr unwahrscheinlich.«
Wallander bekam nur nebenbei mit, was Birch sagte. Er hatte sich in einen Gedanken verbissen, den er nicht loslassen wollte. Es konnte kein Passagier sein. Also mußte es jemand sein, der sich aus dem gleichen Grund im Zug befand wie sie selbst. Jemand, der dort arbeitete.
Wallander sah Birch an. »Wer arbeitet in einem Zug?« fragte er.
»Ich nehme an, es gibt einen Lokführer.«
»Und weiter.«
»Schaffner, einer oder mehrere. Zugbegleiter heißt das heute.«
Wallander nickte. Er dachte an das Ergebnis, zu dem Ann-Britt Höglund gelangt war. Der schwache Abglanz eines Musters. Ein Mensch mit unregelmäßigen, aber wiederkehrenden arbeitsfreien Zeiten. Wie Menschen, die in einem Zug arbeiten.
|505| Er stand auf.
Außerdem der Zugfahrplan im Geheimfach.
»Ich glaube, wir müssen noch einmal zu Karl-Henrik Bergstrand«, sagte Wallander.
»Suchst du noch mehr Kellnerinnen?«
Wallander antwortete nicht. Er war schon auf dem Weg aus dem Terminal.
Karl-Henrik Bergstrand wirkte keineswegs erbaut, als er Wallander und Birch wiedersah. Wallander steuerte direkt auf ihn zu, trieb ihn beinah durch die Tür seines Büros vor sich her und drückte ihn auf den Stuhl.
»Die gleiche Periode. Frühjahr 1991«, sagte er. »Da war eine Person namens Katarina Taxell bei Ihnen angestellt. Oder der Firma, die den Kaffee verkauft. Und jetzt möchte ich, daß Sie mir alle Schaffner oder Zugbegleiter und Lokführer raussuchen, die auf den Fahrten dabei waren, die Katarina Taxell gemacht hat. Vor allem eine Woche im Frühjahr 1991 interessiert mich, als Margareta Nystedt krank geschrieben war. Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein«, sagte Karl-Henrik Bergstrand. »Es ist vollkommen unmöglich, alle diese Informationen zusammenzupuzzeln. Das dauert Monate.«
»Sagen wir, daß Sie ein paar Stunden haben«, erwiderte Wallander freundlich. »Wenn es nötig wird, bitte ich den Reichspolizeichef, bei seinem Kollegen, dem Generaldirektor von SJ, anzurufen. Und ich werde ihn auffordern, sich über die Langsamkeit eines Beamten namens Bergstrand in Malmö zu beschweren.«
Der Mann hinter dem Schreibtisch begriff. Es hatte den Anschein, als nähme er die Herausforderung an.
»Versuchen wir also das Unmögliche«, sagte er. »Aber es wird mehrere Stunden dauern.«
»Wenn Sie so schnell wie möglich arbeiten, darf es dauern, so lange es will«, erwiderte Wallander.
»Sie können in einem der Schlafräume von SJ bei der Lokstation übernachten«, sagte Bergstrand. »Oder im Hotel Prize, mit dem wir einen Vertrag haben.«
|506| »Nein«, sagte Wallander. »Wenn Sie die Auskünfte haben, dann schicken Sie sie per Fax an das Polizeipräsidium in Ystad.«
»Ich möchte nur noch darauf hinweisen, daß es nicht Schaffner
oder
Zugbegleiter heißt«, sagte Bergstrand. »Es heißt Zugbegleiter. Sonst nichts. Und einer ist der Zugchef.
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