Wallander 06 - Die fünfte Frau
wirbelte über den Parkplatz vor dem Polizeigebäude. Sie waren im Besprechungszimmer geblieben, obwohl nichts mehr gemeinsam zu diskutieren war. Alle hatten außerdem die Schreibtische voll mit Arbeit. Wallander dachte, daß sie jetzt vor allem Kräfte sammeln mußten. Wenn ihnen mit Hilfe der Auskünfte aus Malmö der Durchbruch gelänge und die Ermittlung in Bewegung käme, war damit zu rechnen, daß sehr viele Dinge in sehr kurzer Zeit erledigt werden mußten. Deshalb saßen oder hingen sie in ihren Stühlen um den großen Tisch und ruhten sich aus. Irgendwann am Nachmittag rief Birch an und sagte, daß Hedwig Taxell noch nie von Margareta Nystedt gehört hatte. Sie hatte selbst keine Erklärung, warum sie vollständig vergessen hatte, daß ihre Tochter eine Zeitlang als Zugkellnerin gearbeitet hatte. Birch betonte, daß er ihr glaube. Martinsson verließ mehrfach den Raum und rief zu Hause an. Wallander unterhielt sich dann leise mit Ann-Britt Höglund, die glaubte, daß es Terese schon viel besser ginge. Martinsson hatte |509| auch nicht mehr davon gesprochen, aufhören zu wollen. Auch was das betraf, mußten sie vorläufig warten, dachte Wallander. Ein schweres Verbrechen aufzuklären bedeutete immer, daß man alles andere in seinem Leben zurückstellte.
Um vier Uhr rief Hansson an und sagte, daß sie auf einen Mittelfinger gestoßen waren, und kurz darauf rief er erneut an und teilte mit, daß der Schädel bloßgelegt worden sei.
Wallander fragte ihn, ob er abgelöst werden wolle, doch Hansson meinte, er könne ebensogut bleiben. Es reichte, wenn einer sich eine Erkältung holte.
Ein kalter Hauch strich durch den Raum, als Wallander erzählte, er gehe davon aus, daß es Krista Habermans Schädel sei, den sie gefunden hatten. Svedberg legte abrupt das halbgegessene belegte Brot weg.
Wallander hatte dies schon früher erlebt. Ein Skelett bedeutete nichts, bevor nicht der Schädel auftauchte. Erst dann war es möglich, sich vorzustellen, daß dies einmal ein Mensch war.
In der Stimmung müden Wartens, als die Mitglieder der Gruppe wie kleine isolierte Inseln um den Tisch verstreut waren, entstanden zwischendurch kurze Gespräche. Verschiedene Details wurden erörtert. Jemand fragte etwas. Ein anderer antwortete, etwas wurde geklärt, dann war es wieder still.
Svedberg fing auf einmal an, von Svenstavik zu sprechen. »Holger Eriksson muß ein sehr seltsamer Mann gewesen sein. Zuerst lockt er eine polnische Frau hier herunter nach Schonen. Gott weiß, was er ihr versprochen hat. Die Ehe? Reichtum? Daß sie eine Autohändlerbaronin wird? Und dann bringt er sie mir nichts, dir nichts um. Es ist fast dreißig Jahre her. Aber als er selbst den Tod näher kommen fühlt, kauft er sich einen Ablaßbrief, indem er der Kirche da oben in Jämtland Geld vermacht.«
»Ich habe seine Gedichte gelesen«, sagte Martinsson. »Zumindest einen Teil davon. Es läßt sich nicht leugnen, daß er zwischendurch eine gewisse Empfindsamkeit an den Tag legt.«
»Gegenüber Tieren«, sagte Ann-Britt Höglund. »Gegenüber Vögeln. Nicht gegenüber Menschen.«
Wallander fiel der verlassene Hundezwinger ein. Er wollte wissen, wie lange er leer gestanden hatte. Hamrén griff nach einem |510| Telefon und erreichte Sven Tyrén in seinem Tanklaster. Da erhielten sie die Antwort. Holger Erikssons letzter Hund hatte plötzlich eines Morgens tot im Zwinger gelegen. Es war ein paar Wochen, bevor Holger Eriksson selbst in das Pfahlgrab gestürzt war. Tyrén hatte es von seiner Frau gehört, die es ihrerseits von der Landbriefträgerin wußte. Woran der Hund gestorben war, konnte er nicht sagen, aber er war schon sehr alt gewesen. Wallander dachte insgeheim, daß jemand den Hund getötet haben mußte, damit er nicht bellte. Und das konnte nur die Person sein, nach der sie jetzt suchten.
So hatten sie sich selbst wieder eine Erklärung gegeben, doch die übergreifenden Zusammenhänge lagen noch im dunkeln. Noch nichts war ernstlich durchleuchtet.
Um halb fünf rief Wallander in Malmö an. Karl-Henrik Bergstrand kam ans Telefon. Sie seien bei der Arbeit, antwortete er. Binnen kurzem würden sie alle Namen und übrigen Auskünfte herüberfaxen, die Wallander verlangt habe.
Sie warteten weiter. Ein Journalist rief an und fragte, wonach sie auf Holger Erikssons Land suchten. Wallander antwortete, daß sie aus ermittlungstechnischen Gründen nichts darüber sagen konnten. Aber er war nicht abweisend, sondern so freundlich, wie er nur konnte. Lisa
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